Yvonne Malak: Grundregeln für Klarheit in der Morgenshow

In Deutschland gibt es seit 1991 mit dem Start von „Arno und die Morgencrew“ bei 104.6 RTL Unterhaltungs-Morgenshows mit mehreren Protagonisten. Nach mehr als 30 Jahren sollten wir eigentlich die Grundregeln für Klarheit in einer solchen Show kennen und Bauerntheater vermeiden können. Außerdem sollten wir wissen, dass Co-Moderation nicht bedeutet, abwechselnde Texte vorzulesen…

In „deinem“ Sender heißt Co-Moderation immer noch, dass zwei oder drei Menschen sich einen Text aufteilen, „damit jeder mal was sagen zu sagen hat“? Dann helfen vielleicht…

… meine vier Grundregeln für Klarheit in der Morgenshow:

1.Regel

Eine Person – ob Anchorwoman oder Anchorman – führt die Show und sorgt für die Orientierung. „Führen” bedeutet dabei manchmal auch „nur den Rahmen setzen”.

Auch wenn die Redeanteile paritätisch aufgeteilt sind, ist es wichtig, der Show eine klare Struktur zu geben.

Achte mal darauf: die großen, erfolgreichen Shows haben immer einen klaren Anchor, auch wenn dieser nicht zwangsläufig der Star der Show ist oder den größten Redeanteil hat. Morgenshows, in denen beide Moderatoren gleichberechtigt sind und es keinen klaren Anchor gibt, gibt es (meist) nur scheinbar. „Böttcher und Fischer“ gaben der Show (bis 2018 bei R.SA in Sachsen) zwar beide ihren Namen und Böttcher stand sogar an erster Stelle. Wer die Show kannte, wusste aber, dass Fischer der „Chef” war und Böttcher „der Gehilfe”. Beide waren gleich wichtig für das Gelingen der Show, aber beide hatten ganz unterschiedliche Rollen und Kompetenzen. Dasselbe galt für „Zeuss und Wirbitzky“, die bis Ende 2023 bei SWR 3 am Morgen on Air waren. Michael Wirbitzky hat in der Regel den Rahmen gesetzt.

Auch muss der Anchor nicht den größten Redeanteil haben, aber er oder sie hat die wichtigste Rolle! Eine wichtige Aufgabe des Anchors ist, die Co-Stars um sich herum so zu platzieren, dass jeder im Team seinen Platz hat und seine Momente für einen Auftritt auf der großen Showbühne bekommt. Der Anchor führt die Show und ist wie ein Gastgeber, der an einer großen Essenstafel dafür sorgt, dass sich alle wohl fühlen und sich gut und angeregt unterhalten. Manchmal führt der Gastgeber das Gespräch, manchmal überlässt er den anderen den Hauptredeanteil oder gar das ganze Gespräch zum Thema. In jedem Fall setzt er den Rahmen.

Interessant ist in diesem Zusammenhag der amerikanische Begriff für einen Morgenshow-Anchor – dort heißt er „host”. Wörtlich übersetzt bedeutet „host” Gastgeber (oder auch Hausherr). Im Englischen sagt man außerdem: „hosting a show”. Ich finde, das beschreibt die Aufgabe eines Morgenshow-Anchors perfekt.

2. Regel

Bereits aus Regel 1 ergibt sich: Redeanteile sind nicht nach Prozenten aufgeteilt, sondern nach Logik – es muss immer selbsterklärend sein, wer was warum macht. So kann es passieren, dass in der einen Show 80 Prozent der Redeanteile auf den Anchor entfallen, in einer anderen Sendung aber einer der Co-Stars den Großteil des Wortbeitrags der Sendung bestreitet.

Dazu gehört eine klare Aufgabenverteilung nach Themenkompetenzen und Rollen innerhalb der Show. Wenn diese klar festgelegt sind, ergeben sich die Zuständigkeiten für die meisten Aufgaben von selbst. Das schafft Klarheit und Orientierung und baut dadurch schneller Wiedererkennungswerte, Gewohnheiten und Bindungen aufseiten der Hörer auf!

Neben klar zugeordneten Themenkompetenzen sollte auch Klarheit über folgende Frage herrschen: wer steht wie zu wem? Daraus ergibt sich dann z.B. die Herangehensweise des Teams an bestimmte Themen.

3. Regel

Hast du in einer großen anglo-amerikanischen Show schon mal gehört, dass zwei oder drei Team-Mitglieder abwechselnd die Regeln für die Major Promotion vorlesen…? Oder dass mal Person A, mal Person B den Break eröffnet?

Deshalb braucht es dort, wo sich aus Regel 1 und 2 nicht automatisch eine „Zuständigkeit“ ergibt, extra Regeln. Ich empfehle, die wichtigsten Breaks einmal komplett „durch zu deklinieren“, um Verantwortlichkeiten zu definieren – und vor allem um ein amateurhaftes „Moderations-Ping-Pong” zu vermeiden (siehe oben). Wer präsentiert warum welche Benchmark, wer ist beim Signature-Quiz der Spielleiter etc.?

4. Regel

Der Anchor repräsentiert die Werte des Senders. Deshalb sind grundlegende Markenkerne wie die Musik und deren „Verkaufe” sowie das Durchführen der Major Promotion in der Regel ein „Anchor-Job”. In einigen Shows, die ich betreuen darf, haben wir das Musikverkaufen an einen Co-Star übertragen. Schlicht weil dieser sich besser auskennt oder einen emotionaleren Zugang zur Musik hat. Wie auch immer du diese Aufgabe löst: Hauptsache, es herrscht Klarheit.

Klarheit im Team helfen beim Showprep und während der Show, Klarheit in der Struktur gibt dem Hörer Orientierung. Deshalb achte in „deinem“ Sender darauf, die wichtigsten Regeln am Morgen einzuhalten:

Wer setzt wie den Rahmen?

Wer steht wie zu wem?

Vor allem: Wer macht was warum?

Diese Art von Orientierung schafft Bindung. Und erst wenn Moderatoren Bindung zu den Hörern herstellen, können sie zum Einschaltgrund werden.

In diesem Sinne:
Gutes Gelingen

Deine
Yvonne

Yvonne Malak
Das Moderationshandbuch: Alles, was Radio-Profis wissen müssen
201 Seiten
ISBN 3848782723
39,00 € Nomos

Yvonne Malak ist Radioberaterin und berät eine Vielzahl von Radiostationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Yvonne Malak schreibt monatlich für die radioWOCHE. Die nächste Ausgabe erscheint am 01. August 2024.

Alle bisher veröffentlichten Publikationen von Yvonne Malak finden Sie auch unter www.my-radio.biz/category/publikationen/radiowoche/

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