Jeder Inhalt, den wir senden, konkurriert mit einem Besttestersong auf dem Konkurrenzsender. Daran sollte jedem Radiomacher denken, der für Inhalte verantwortlich ist und in einem Sender arbeitet, der auf Quoten angewiesen ist…
Da der Wettbewerb immer härter wird und Radiohörer auf immer mehr Alternativen ausweichen können, entscheiden eine sorgfältige Auswahl relevanter Themen und deren kreative Umsetzung zu einem guten Teil mit über den Erfolg eines Radiosenders. Vor allem aber entscheidet das Wort oft über den Misserfolg eines Radiosenders. Ein Paradoxon: Sender geben hohe fünfstellige Summen für Musiktests aus und planen jeden einzelnen Song sorgfältig nach vielen strengen Kriterien – aber wenn es um Inhalte geht, senden dieselben Sender mal eben ein langweiliges Interview von drei Minuten Länge mit einem Inhalt, der nur zehn Prozent der Hörer betrifft bzw. interessiert. Im schlimmsten Fall mit einem fürs Radio ungeeigneten Gesprächspartner.
„Alles, was wir senden, bestimmt, was unsere Hörer über unseren Sender denken.“ Ist einer meiner Lieblingssätze und gilt auch für jeden einzelnen Wortbeitrag. Im Radio kann ich nicht wie auf einer Website zum nächsten Button klicken, wenn mich ein Thema nicht interessiert oder wie in der Zeitung woanders weiterlesen, wenn mir eine Ausführung zu lang oder zu langweilig ist – im Radio bedeutet „Weiterblättern“ oder „Weiterklicken“ Umschalten zu einem anderen Sender. Läuft dann nach dem Umschalten beim Wettbewerber ein toller Song und anschließend vielleicht noch ein unterhaltsamer, kreativ aufbereiteter Beitrag zu einem spannenden Thema aus der Lebenswelt des jeweiligen Hörers, so ist dieser Hörer zunächst einmal „verloren“.
Jede Redaktion sollte deshalb klare Themenkriterien haben sowie einen Themenfilter und eine Zielgruppendefinition (z. B. über Sinusmilieus, wie hier beschrieben…)
Ein Themenfilter orientiert sich am Sender und dessen „Kern-DNA“. Könnte also für eine hippe, junge CHR Station in einer Großstadt lauten:
Young
Urban
Fun
Was nicht durch diesen Filter passt, wird gar nicht erst diskutiert. Bei einem meiner lokalen Kunden haben wir den Themenfilter ULF = Unterhaltsam, Lokal, Familienkompatibel. Regel: mindestens zwei dieser Punkte müssen erfüllt sein, damit ein Thema in diesem Sender überhaupt eine Chance hat, on air stattzufinden.
Weitere Kriterien für die Auswahl eines Themas könnten sein:
• Stammt das Thema aus der Lebenswelt der Hörer?
• Ist es gerade im Gespräch?
• Schafft es Gesprächswert?
• Bietet es einen Nutzen, eine relevante Neuigkeit oder einen anderen Mehrwert wie Spaß und Unterhaltung?
• Sind das Thema oder aber die geplante Umsetzung besonders hörenswert?
• Hat das Thema eine starke emotionale Komponente?
Wenigstens eines dieser Kriterien sollte auf den geplanten Inhalt und dessen Umsetzung zutreffen. Trifft keines zu, ist es wahrscheinlich in den meisten Fällen besser, stattdessen Musik zu spielen. Dass es zu einem Thema gerade eine Pressekonferenz gab, die schöne O-Töne hervorgebracht hat oder dass ein Beitragsplatz eben besetzt werden muss, wären schlechte Argumente für die Wahl einer Geschichte. Viele dieser Meldungen sind in den Nachrichten bestens aufgehoben und mit drei bis fünf Sätzen plus O-Ton ausreichend gewürdigt. Zudem werden sie auch genau an diesem Sendeplatz erwartet.
In allen kommerziellen Programmen, die es sich nicht leisten können, mit Wortbeiträgen Abschaltfaktoren zu produzieren, sollte eine Frage immer gestellt werden, wenn es darum geht, ein Thema auf die Antenne zu bringen: Interessiert dieses Thema in der von uns geplanten Aufbereitung und Länge am Tag und zur Uhrzeit der geplanten Ausstrahlung mehr als die Hälfte unserer Hörer? Also ist es massenkompatibel?
Lokalität an sich genügt für einen Inhalt nicht als Kriterium – im Gegenteil. Wäre Lokalität ein Kriterium für erfolgreiche Radioinhalte, würden die Märkte in Österreich, der Schweiz und vielen, vielen deutschen Bundesländern – allen voran Bayern – andere Marktführer hervorbringen als die überregionalen, nationalen bzw. landesweiten Sender. Was gibt es in Rosenheim, Linz, Passau, St. Gallen usw. auch ständig Spannendes zu berichten? Wenig, das so attraktiv ist, wie die Telefoncomedy „Callboy“ auf Ö3 oder die aktuelle Single von Avicii auf DRS3. Natürlich gibt es gelegentlich auch massenkompatible, interessante lokale Themen – aber eben nur gelegentlich das eine oder andere und nicht mehrere am Tag.
Noch nie hat ein Sender Hörer verloren, weil ein Beitragsplatz nicht besetzt war. Viele Sender haben aber bereits jede Menge Hörer verloren, weil sie Inhalte gesendet haben, die nichts mit dem Leben der Zielgruppe zu tun hatten und dadurch zum Abschaltfaktor geworden sind.
Unendlich viele Arbeitsstunden fleißiger Redakteure haben ihrem Arbeitgeber also letztendlich eher geschadet als genutzt. Dieser Satz ist zwar nicht sehr populär, aber leider wahr. Dabei gibt es doch so viele Inhalte und unendlich viele kreative und fesselnde Aufbereitungsformen, die Spaß machen und einem Produkt und seinem Image nützen! Aufbereitungsformen zum Download finden Sie hier.
Ich freue mich, wenn Sie diese Anregungen aufnehmen und umsetzen.
Herzlichst,
Yvonne Malak
Yvonne Malak
Erfolgreich Radio machen 2015,
320 Seiten, 25 farb. Abb., Klappenbroschur
ISBN 978-3-86764-553-9
34,99 € UVK Verlag Konstanz
http://www.uvk.de/isbn/9783867645539
Yvonne Malak ist Radioberaterin und berät eine Vielzahl von Radiostationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Yvonne Malak schreibt monatlich für die radioWOCHE. Die nächste Ausgabe erscheint am 01. Dezember 2016.
Alle bisher veröffentlichten Publikationen von Yvonne Malak finden Sie auch unter www.my-radio.biz/category/publikationen/radiowoche/