Die „No Billag“-Initiative in der Schweiz, die eine Abschaffung der Rundfunkgebühren erreichen wollte, ist in einer Volksabstimmung deutlich abgelehnt worden. 71,6 Prozent der Schweizer Wähler und Wählerinnen sprach sich gegen das Vorhaben, das nach dem Schweizer Pendant zum deutschen Beitragsservice benannt ist, aus. Die Initiative konnte in keinem der 23 Kantone eine Mehrheit erlangen . Die Wahlbeteiligung lag bei rund 54 Prozent. Bei einer Annahme des Vorschlags hätte die Existenz des öffentlich-rechtlichen Schweizer Rundfunks SRG in Gänze in Frage gestanden, da er sich zu gut drei Vierteln aus der Rundfunkgebühr finanziert. Über das Thema war in der Schweiz in den letzten Wochen und Monaten intensiv und leidenschaftlich – nich zuletzt auch in den Sozialen Medien – disktiert worden.
Auf den Weg gebracht hatten die Initiative Mitglieder der Jugendverbände der Schweizer Volkspartei und der liberalen Freisinnigen. Ihr Ziel sah eine geschrumpte SRG vor, die nur noch für bestimmte Sendungen staatliche Gelder erhalten und sich hauptsächlich über ein freiwilliges Abomodell finanzieren sollte. Die Kritiker der Initiative, die heute erfolgreih waren, betrachteten diese Vorschläge als unrealistisch.
„Natürlich ist es ein guter Tag für die SRG, denn die Stimmbevölkerung hat mit ihrem Votum die Legitimierung des medialen Service public untermauert“, sagte SRG-Verwaltungsratspräsident Jean-Michel Cina heute in Bern. „Ebenso erfreulich ist das Ergebnis für die 34 privaten Radio- und TV-Stationen, die einen Teil der Gebühren beziehen. Vor allem aber ist es ein guter Tag für all jene, denen es wichtig ist, ein unabhängiges, ausgewogenes Informationsangebot in allen vier Sprachregionen zu haben – und denen es wichtig ist, eigenständig Schweizer Filme zu produzieren, die einheimische Musik zu unterstützen und Schweizer Sportereignisse in die Stuben zu bringen“, so Cina weiter. „Was die Mehrheit heute unterstützt hat, ist die Idee einer solidarischen und vielfältigen Schweiz“, bedankte sich Cina bei allen Unterstützern.
Gilles Marchand, Generaldirektor der SRG, erklärte: „Dieses Resultat ist nicht einfach eine Bestätigung für uns als öffentliches Medienhaus, das der Allgemeinheit dient – es ist für die SRG ein neuer Anfang. Wir sind nun aufgefordert, unser Unternehmen neuen finanziellen Rahmenbedingungen und neuen gesellschaftlichen Bedürfnissen anzupassen. Wir wollen die Rückmeldungen aus der Gesellschaft einfliessen lassen – sowohl die ermutigenden als auch die kritischen.“
SRG plant Reformen
Die SRG kündigt als Konsequenz auf die Kritik, der sie sich in den letzten Monaten gegenüber sah, drei Reformpakete an. Die Rundfunkanstalt beabsichtigt dadurch 100 Millionen Franken einzusparen, dafür legt sie einen “ Effizienzsteigerungs- und Reinvestitionsplan“ auf, der im Sommer 2018 im Detail präsentiert werden soll. Gespart werden wird bei der Infrastruktur, in der Verwaltung, in der Technik, bei den Immobilien, bei den Produktionsprozessen und in der Distribution. Künftig sollen Informationen aus allen vier Sprachregionen, Investitionen in Schweizer Filme und Serien noch stärker im Fokus stehen. Auch kündigt die SRG an eine mehrsprachige Online-Plattform aufbauen zu wollen, die alle SRG-Produktionen aus allen Sprachregionen mit entsprechender Übersetzung zugänglich machen soll. Die Umsetzung der Reformbemühungen startet 2019 und soll sich über fünf Jahre erstrecken.
Um sich stärker von den privaten Mitbewerbern abzugrenzen, wird die SRG künftig darau verzichten, die abendlichen Spielfilme durch Werbung zu unterbrechen. Im Netz wird sie – analog zur deutschen Diskussion zwischen der ARD und den Verlegern – kene Texte ohne Verbindung zu einem Audio oder Video auf den Info-Online-Websites von SRF, RTS und RSI mehr veröffentlichen.
„Die SRG hat aus der Debatte rund um die No-Billag-Abstimmung ihre Schlüsse gezogen und zeigt sich bereit zu Veränderungen. Der Verlegerverband begrüsst insbesondere die Absicht der SRG-Führung, ihre eigenen Leistungen besser von den Privaten abzugrenzen und die verfassungsmässig verbriefte Rücksichtnahme auf die Privaten ernst zu nehmen. Damit besteht die Chance, Marktverzerrungen zu verhindern“, heißt es in einem ersten Statement vom Verband Schweizer Medien (VSM), der weiterhin „eine trennscharfe Definition des ,service public‘-Auftrags der SRG“ fordert. In der Diskussion steht auch die Vermarktungsgesellschaft Admeira von SRG SSR, Swisscom und Ringier. Man bleibe „offen für neue, konstruktive Lösungen“ und wäre bereit für die Aufnahme weiterer Partner, heißt es dazu heute von der SRG.
„Mit ihrem Votum haben die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger zum Ausdruck gebracht, dass sie das Schweizerische Mediensystem schätzen und erhalten wollen. Das gemischte Angebot aus öffentlich-rechtlichen und privaten Medien hat eine breite Akzeptanz gefunden. Die breite Diskussion im Vorfeld und bereits im Nachgang dieser Abstimmung hat klar gezeigt, dass der Entscheid die Voraussetzungen für die Weiterentwicklung des Schweizer Mediensystems geschaffen hat. Der VSP begrüsst es, dass die SRG nun ihre Aussagen und Pläne umsetzt, die sie im Zusammenhang mit dem heutigen Urnengang abgegeben hat. Damit wird ein ausgewogeneres Gleichgewicht zwischen dem öffentlich-rechtlichen und dem privaten Rundfunk möglich. Der VSP wird seine Vorstellungen im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens über die neue SRG-Konzession und bei den Beratungen über das neue Gesetz über elektronische Medien einbringen“, erklärt der Verband Schweizer Privatradios (VSP).
Kommt der Radioplayer Schweiz?
Die SRG erklärt sich zudem bereit, gemeinsam mit anderen Schweizer Radiostationen einen nationalen Radio-Player aufzubauen. Zudem zeigt sich die Rundfunkgesellschaft „offen für Kooperationen bezüglich des Betriebs der Musiksender Swiss Pop, Swiss Jazz und Swiss Classic.“
Reaktionen aus Deutschland
Auch aus Deutschland war die heutige Volksabstimmung und die vorangegangene Diskussion bei unseren Nachbarn intensiv verfolgt worden. Geht es doch um die Grundsatzfrage, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Zukunft – in einer sich stark verändernden Medien- und Wirtschaftswelt – ausgestaltet werden soll. Und auch, ob er noch genügend Rückhalt in der Bevölkerung genießt, was heute 71 Prozent der Schweizer Wähler deutlich bejaht haben.
„Die Schweizer Bevölkerung hat sich heute klar für den Erhalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausgesprochen. Dieses eindeutige Bekenntnis für den ,Service public“ mit seiner hochwertigen, regional vielfältigen Grundversorgung ist ein wichtiges Signal für unabhängigen Qualitätsjournalismus auch über die Schweiz hinaus. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der sich auch in Deutschland umfassenden Reformen vepflichtet hat, ist eine Klammer für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Solidarisch finanziert garantiert er allen Menschen – unabhängig von ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit – barrierefreien Zugang zu umfassenden Angeboten. Denn wer bei öffentlichen Gütern und hochwertigen Inhalten allein auf die Kräfte des Marktes vertraut, merkt: Mit einer Vielzahl an Marktlösungen und Bezahlmodellen wird es nicht gelingen, für die unterschiedlichsten Interessen ein so breites Gesamtpaket in dieser Qualität und regionalen Vielfalt zu liefern, erklärte heute der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm.
„Das Abstimmmungsergebnis zu der No-Billag-Initiative ist eine gute Nachricht für die Medienvielfalt in Europa. Auch wenn man die Schweizer und deutschen Verhältnissse nicht 1:1 vergleichen kann, ändert dies nichts daran, dass wir aktuell eine schwindende Akzeptanz in der Bevölkerung und eine breite Diskussion über die Legitimation des gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks erleben“, sagt Hans Demmel, Vorstandsvorsitzender des Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT).
„Zu hohe Kosten und ein fehlendes klares öffentlich-rechtliches Programmprofil mit einem gefühlten echten Mehrwert für die Mediennutzer sind die Hauptursachen, die diese Entwicklung auch hierzulande befördern. Für einen echten Rückhalt in der Bevölkerung braucht es deshalb einen klar definierten Grundversorgungsauftrag und ein fokussiertes Angebot von ARD und ZDF. Aus Rundfunkbeiträgen sollten nur solche Inhalte, Angebote und Verbreitungswege finanziert werden, die Zuschauern und -hörern einen Zusatznutzen zu den übrigen Medienangeboten bieten. Eine Fortsetzung des Quoten und Wettbewerbsdenkens mit entsprechenden Mainstreamangeboten führt ARD und ZDF in die Sackgasse“ fährt Demmel fort und plädiert erneut dafür, dass die Bundesländer ARD und ZDF bei ihren Onlineangeboten Grenzen setzen sollen. Demmel fordert „Einschnitte ohne Denkverbote“: „Wenn man an der aktuellen Stimmung etwas ändern will, müssen die Kosten, die Programmangebote gerade in dem Bereich verursachen, wo sie nur „more oft he same“ zu den Privaten bieten und die kommerziellen Aktivitäten der öffentlich-rechtlichen Sender zurückgefahren werden und die Werbung bei ARD und ZDF deutlich begrenzt werden.“