DAB+ in Europa: So entwickelt sich das Digitalradio in Norwegen, Großbritannien und Frankreich

Wie hat sich DAB+ in Europa in diesem Jahr entwickelt? Ein Blick zum Jahresende nach Norwegen, Großbritannien und Frankreich.

Norwegen
Norwegen hat 2017 ernst gemacht und als erstes Land der Welt seine landesweiten UKW-Netze abgeschaltet. Einzig die Lokalradios jenseits der Ballungszentren funken noch auf UKW und werden das wohl auch noch einige Jahre tun. Gerade wird über eine Verlängerung der Abschaltfrist für die Lokalsender bis 2031 diskutiert. Wie fällt das Zwischenfazit des Umstiegs aus? Die Gattung Radio hat an Reichweite eingebüßt – um 11,7 Prozentpunkte sank die Tagesreichweite der landesweiten Programme zwischen 2016 und September 2018. Von 64,8 Prozent Tagesreichweite im 3. Quartal 2016 ging es auf 53,7 Prozent im 3. Quartal 2018 abwärts. 2014 kamen die landesweiten Radios noch auf fast 70 Prozent.

Allerdings präsentieren sich die Zahlen – nach den deutlichen Verlusten im Umschaltjahr 2017 – in diesem Jahr stabil und pendelten sich zwischen 53 und 57 Prozent Tagesreichweite ein. Im Sommer brechen die Werte in Norwegen alljährlich ein und rutschten in diesem Jahr somit erstmalig zeitweilig unter die 50-Prozent-Schwelle, um sich nach der Urlaubszeit dann wieder zu erholen. Der in Norwegen bis dato sehr dominante öffentlich-rechtliche Rundfunk NRK hat die größten Einbußen hinnehmen müssen – im 3. Quartal 2016 lag er noch bei 46,9 Prozent Tagesreichweite, im 3. Quartal 2018 waren es nur noch 35,9 Prozent. Die Privatsenderfamilie P4 fiel von 25,5 Prozent auf 20,6 Prozent im gleichen Zeitraum, Bauer Media von 14,2 auf 11,4 Prozent. Mittlerweile bewegen sich die privaten Konkurrenten, was die technische Reichweite anbelangt, auf Augenhöhe mit NRK und sind – anders als zu UKW-Zeiten – mit jeweils einer kompletten Senderfamilie landesweit aktiv. Das erste Programm von NRK bleibt allerdings das mit Abstand meistgehörte in Norwegen – fällt aber von 33,4 Prozent Tagesreichweite in 2016 auf 24,3 Prozent 2018 (Stand September). Der größte Privatsender P4 fiel von 20,8 Prozent auf 12,3 Prozent Tagesreichweite.

Die Hördauer der landesweiten Radios sank von 84 Minuten im 3. Quartal 2016 auf 72 Minuten im 3. Quartal 2018. Für NRK ging es von 57 auf 48 Minuten zurück. Für die P4-Gruppe von 19 auf 17 Minuten und Bauer Media von 8 auf 7 Minuten. Auch hier ein ähnliches Bild, nach Verlusten 2017 haben sich die Zahlen in diesem Jahr bei allen Sendern stabilisiert, der Abwärtstrend scheint gebremst.

Bei den Marktanteilen hat sich hingegen nicht viel verändert. NRK kam 2016 auf 67,9 Prozent, 2018 (bis September) waren es 66,4 Prozent. P4 und Bauer Radio konnte jeweils etwas hinzugewinnen. Es hat auch eine interne Umverteilung gegeben, weg von den großen fünf Programmen, die auf UKW landesweit zu hören waren, hin zu den zahlreichen neuen digitalen Spartenformaten. Der Marktanteil der „Big Five“ sank von 82,5 Prozent in 2016 auf 64,9 Prozent im Jahr 2018. Entsprechend kletterte der Marktanteil der anderen Sender von 17,5 auf 35,1 Prozent. Eine Erfolgsgeschichte schreibt NRK P1+, ein Programm für ältere Hörer, das seine Tagesreichweite deutlich ausbauen und seine Hördauer binnen zwei Jahren verdoppeln konnte.

Und was machen wir nun daraus? Die Gattung hat verloren, das ist nicht abzustreiten. Liegt das nun am Umstieg auf DAB+ oder ist es allgemeiner Trend in Zeiten von Spotify & Co.? Wären die Hörer sowieso abgewandert und hat der Umstieg nur bei manchen Nutzern diesen Prozess etwas beschleunigt, da sie nun ganz konkret vor die Frage gestellt waren, ob man wirklich noch ein Radiogerät braucht oder nicht doch das Smartphone oder Alexa reicht?

Hervorzuheben ist, dass die Norweger nun terrestrisch deutlich mehr Programme zur Auswahl haben und – wie die Zahlen zeigen – diese auch annehmen. Der Umstiegsprozess ging letztlich ohne größere Probleme über die Bühne. Wer sich von DAB+ aber mehr Wettbewerb oder publizistische Vielfalt erhofft hat, den enttäuscht das norwegische Exempel. Die Vorherrschaft der drei großen Player im dortigen Radiomarkt wurde zementiert, ihre Position gestärkt. Innerhalb dieser geschlossenen Gesellschaft wurde allerdings die Dominanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gemindert und den kommerziellen Sendern eine bessere Ausgangslage verschafft.

Großbritannien
In Großbritannien ist das terrestrische Digitalradio aus der Radiolandschaft nicht mehr wegzudenken. Es steht laut den RAJAR-Zahlen – der britischen Reichweitenmessung – im 3. Quartal 2018 für 38,1 Prozent der Radionutzung. Alle digitalen Verbreitungswege zusammengenommen kommen auf einen Anteil von 52,4 Prozent, in diesem Jahr konnte erstmalig die 50-Prozent-Hürde übersprungen werden. Reine Digitalprogramme wie BBC 6 Music, KISSTORY, Absolute Radio 80s, Heart 80s oder BBC Radio 5 live sports extra erreichen auf der Insel ein Millionenpublikum – auch ohne UKW-Verbreitung. Doch auch im Vereinigten Königreich steht trotz allem keine UKW-Abschaltung an, es gibt vielmehr ein Nebeneinander der verschiedenen Verbreitungswege. UKW, Online, DAB (ohne Plus, die Briten setzen als einzige in Europa noch auf das Vorgängersystem) und selbst die im Rest von Europa eingemottete Mittelwelle koexistieren. Positiv hervorzuheben ist eine andere Entwicklung. Die britische Medienanstalt hat 2018 beschlossen, dass die sogenannten Small Scale-Netze für nichtkommerzielle Programme und kleinere Radiosender, die sich aktuell noch im Testmodus befinden, zur Dauereinrichtung und auf weitere Städte ausgedehnt werden sollen.

Frankreich
In Frankreich ist in das zuvor festgefahrene Thema DAB+ in diesem Jahr ordentlich Bewegung gekommen. Unser Nachbarland bekommt 2020 zwei landesweite DAB+-Muxe. Die großen Privatradiogruppen haben ihre ablehnende Haltung in Teilen revidiert und sich mit all ihren UKW-Programmen auf Sendeplätze in den beiden Muxen beworben. Mit Lille, Lyon und Straßburg sind nun weitere Regionen mit DAB+ versorgt und den Hörern stehen jeweils um die 60 Programme zur Verfügung. Weitere Ballungszentren werden in den kommenden Jahren folgen. Noch ungeklärt ist, ob auch das öffentlich-rechtliche Radio France seine Programme über DAB+ verbreiten wird. Bisher strahlt die Anstalt nur die Programme über DAB+ aus, die im jeweiligen Verbreitungsgebiet nicht über UKW zu empfangen sind, einen landesweiten Radio France-Mux gibt es nicht.

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