Gestern Abend sind in Hamburg zum elften Mal die besten Radiomacherinnen und -macher sowie die herausragenden Hörfunkproduktionen des Jahres ausgezeichnet worden. In diesem Jahr haben 138 Radioprogramme insgesamt 432 Vorschläge für den Preis eingereicht.
Für den musikalischen Rahmen der Preisverleihung, die coronabedingt in kleiner Runde stattfand, sorgten Musikacts wie Milow, Katie Melua, Michael Patrick Kelly oder Tim Bendzko. Moderiert wurde der Abend von Barbara Schöneberger und Thorsten Schorn.
Der Deutsche Radiopreis für die beste Moderation – in diesem Jahr erstmalig nicht mehr aufgeteilt in einen Moderatoren- und einen Moderatorinnenpreis – ging erneut nach Nordrhein-Westfalen. Sinah Donhauser, Morgenmoderatorin von Radio Hochstift aus Paderborn, konnte sich über die Ehrung freuen. Als beste Newcomerin wurde Anh Tran vom Deutschlandfunk mit dem Deutschen Radiopreis ausgezeichnet, die in ihrer Dankesrede auch auf die aktuelle Situation auf Lesbos hinwies. Senderkollege Philipp May nahm den Preis für das beste Interview entgegen.
Der Radiopreis in der Kategorie Comedy ging nach Hessen – und zwar an Parshad Esmaeili von Planet Radio. Neu war in diesem Jahr die Preiskategorie der „Besten Innovation am Morgen“ – hier siegte Energy Stuttgart, die mit „Hood Hop“ Lokales in unterhaltsame Rapvideos verpacken. Die beste Reportage des Jahres kommt von MDR Aktuell, als bestes Nachrichtenformat wurde das „Thema des Tages“ auf B5 aktuell gekürt. Die beste Programmaktion stammt diesmal von 105’5 Spreeradio und unterstützt Berliner Sportvereine, die durch die Corona-Krise in Not geraten sind. Die beste Sendung ist beim bayerischen Sender egoFM zuhause – Sandra Gern und ihr Musikmagazin „Chelsea Hotel“ konnten die Trophäe in Empfang nehmen. „Hundertachtzig Grad. Geschichten gegen den Hass“ von NDR Info siegte in der Podcast-Kategorie. Mit einem Sonderpreis würdigte der Beirat des Deutschen Radiopreises Christian Drosten, dessen NDR Info-Podcast „Coronavirus-Update“ mittlerweile mehr als 60 Millionen Mal abgerufen wurde.
Und das sind die Preisträger (mit den Begründungen der Jury):
Beste Moderation
Sinah Donhauser
Radio Hochstift
Sinah Donhauser ist jeden Morgen präsent. Mit dieser Moderatorin steht man gerne auf. Nicht nur weil sie Lust auf den Tag macht, sondern weil sie hörbar ihre Hörer*innen mag und ernst nimmt. Spontan, direkt und kompetent. Sinah Donhauser kann das auch ohne vorgefertigtes Sendungskonzept, wenn ein Lockdown das Land lahmlegt.
Beste*r Newcomer*in
Anh Tran
Deutschlandfunk
Anh Tran nimmt die Hörer*innen mit in ihre Heimatstadt Dresden. Die Reporterin sucht Antworten auf Fragen, die sie auch persönlich berühren: Wie steht es um die demokratische Kultur in der AfD-Hochburg? Was bedeutet es, „Fidschi“ genannt zu werden? Anh Tran ist in Dresden aufgewachsen, ihre Mutter kam aus Vietnam. Sie erzählt lebendig und authentisch, so gelingt eine Reise in die innere Verfassung einer Stadt, auf die blickt, wer die Entwicklung in Deutschland verstehen will.
Anh Tran, Bild: Deutscher Radiopreis/Morris Mac Matzen
Beste Comedy
planet radio
Parshad Esmaeili
„Frag Parshi“
Parshad Esmaeili kreiert und verantwortet mit „Frag Parshi“ eine brillante Radio-Comedy am Puls der Zeit. Dafür nimmt sie sich typischen Fragen aus dem Alltag ihrer jungen Hörer*innen an und geht ihnen mit sprachlicher Spielfreude, rasantem Schnitt, einem selbstbewussten weiblichen Blick und einer großen Portion Selbstironie auf den Grund. Daraus entsteht ein etwas anderer „Lifestyle Ratgeber“ – und der besticht durch Wortwitz und Situationskomik, durch Authentizität und absolute Augenhöhe mit ihrem Radio-Publikum. Von dieser Entertainment-Persönlichkeit – dessen ist sich die Jury sicher – werden wir noch viel hören.
Parshad Esmaeili mit Laudatorin UIrike Folkerts, Bild: Deutscher Radiopreis/Morris Mac Matzen
Beste Innovation am Morgen
ENERGY Stuttgart
Dennis Strobel und Vince Schuster
„ENERGY Hood Hop“
Der „Energy Hood Hop“ gibt einen neuen Impuls für die Primetime des Radios. Im Mittelpunkt steht, was in zahlreichen Morgenshows geboten wird: Themen und Ereignisse mit Gesprächswert aus der Nachbarschaft. Doch in dieser Reihe werden sie ungewöhnlich präsentiert: künstlerisch, auf spielerische Art und Weise. Aufmerksamkeit generierende Hip-Hop Songs. Witzig, unterhaltsam, mit Suchtgefahr.
Beste Programmaktion
105’5 Spreeradio, Berlin
Yvonne Fricke und Nicole von Wagner
„105`5 Spreeradio kämpft für Berliner Vereine“
„Viel Amt und wenig Ehre“ heißt es oft vom Ehrenamt und immer öfter brauchen Helfende selbst Unterstützung für ihre wichtige und unsere Gemeinschaft stabilisierende Arbeit. Viele Vereine sind durch die Corona-Krise in eine unverschuldete Existenznot geraten. Die Programmaktion „105’5 Spreeradio kämpft für Berliner Vereine“ setzt genau dort an und seit Jahren auf eine sich helfende Stadtcommunity. Dabei entsteht neben der Hilfe für Vereine und der Information über die vielfältige ehrenamtliche Arbeit in der Stadt, eine herausragende Interaktion zwischen Programmmacher*innen, Hörer*innen und Stadtpolitik. Das kann gar nicht hoch genug geschätzt werden.
Beste Reportage
MDR Aktuell
Kornelia Kirchner
„Der 9. November 1989 – Protokoll eines historischen Tages“
MDR-Journalistin Kornelia Kirchner schildert den 9.November 1989 30 Jahre später als Stundenprotokoll und fasst die Ereignisse in 53 Minuten und 14 Sekunden zusammen. Das Ergebnis ihrer tiefen Recherche, Archivarbeit und Experteninterviews ist eine fesselnde Biographie eines der denkwürdigsten Tage der deutschen Geschichte. Der Autorin gelingt es dabei, konsequent Distanz zu waren. Der Stoff ist ein Drama. Er muss nicht dramatisiert werden. Exzellente Recherche, die Form des Stundenprotokolls, die Mischung aus historischem Material und Einordnung des Geschehens machen die MDR-Reportage zu einer hörenswerten, preiswürdigen Produktion.
Beste Sendung
egoFM
Sandra Gern für „Chelsea Hotel“
Anlässlich des 30. Jahrestags des Mauerfalls öffnet das Musikmagazin Chelsea Hotel in dieser Ausgabe gleich mehrere Türen, hinter die wir sonst nur selten blicken: Zentrale Künstler der deutschen Indie-Rock/Pop-Szene berichten über die Musikszene der DDR, machen Geschichte greifbar, sind nah an den Zuhörenden. Das Chelsea Hotel in New York war Zufluchtsort für Kreative, ein Refugium für Künstler und Exoten. Beim Chelsea Hotel auf egoFM ist es ähnlich: Es ist ein Kleinod, das nicht nur für Unterhaltung sorgt, Chelsea Hotel weckt Lust auf ein Musikgenre, das im Radio eher selten zu hören ist. Sandra Gern zeigt zudem, dass Musikmoderation lässig und zugleich faktenbasiert sein kann.
Bester Podcast
NDR Info
Bastian Berbner und Doreen Strasdas
„Hundertachtzig Grad. Geschichten gegen den Hass.“
Mit „Hundertachtzig Grad – Geschichten gegen den Hass“ wird in diesem Jahr eine bemerkenswerte Audio-Produktion von NDR Info mit dem Deutschen Radiopreis in der Kategorie „Bester Podcast“ ausgezeichnet. Der Autor Bastian Berbner transportiert mit geschickt gestellten Fragen und ohne erhobenen Zeigefinger Lehrstücke in Sachen Menschlichkeit mit hohem Wiedererkennungswert. Emotional, berührend, mit einer gewissen Leichtigkeit trotz der schweren und komplexen Thematik. Ein Podcast, der das Prädikat „Herausragend“ verdient hat!
Bestes Interview
Deutschlandfunk
Philipp May
„Informationen am Morgen“
Am 15. Mai 2020 beschließt der AfD-Bundesvorstand, Andreas Kalbitz aus der Partei auszuschließen. Co-Sprecher Jörg Meuthen stellt sich am 16. Mai, in den „Informationen am Morgen“ den Fragen von Philipp May. Der Deutschlandfunk-Moderator hat acht Minuten. Er formuliert derart reaktionsschnell, präzise und auch locker, dass Meuthen sagt, was Hörerinnen und Hörer in dieser brisanten Sache wissen sollten. Es gelingt weit über dem erwartbaren Radiojournalismus ein erstklassiges, tagesaktuelles, politisches Interview.
Bestes Nachrichten- und Informationsformat
B5 aktuell
Barbara Kostolnik und Steffen Jenter für „Thema des Tages“
Der Beitrag „Viele bunte Nullen“ von Barbara Kostolnik schafft es in unter acht Minuten die Haushaltswoche im Bundestag so unterhaltsam aufzubereiten, dass selbst viele Politik-Muffel unbedingt bis zum Ende zuhören wollen. Ihr Beitrag zeichnet sich durch viele Details aus: die Beschreibung der Livrees der Saaldiener*innen, die ostentantiv gelangweilten Schüler*innengruppen. Das macht ihn so gut. Die präzise Sprache, die immer einen leicht ironischen, fast frechen Unterton hat, und das Spielen mit dem Bild der „Null“ zeigen, dass Barbara Kostolnik ihr Handwerk und vor allem die Politik versteht.
Sonderpreis des Beirats
Prof. Dr. Christian Drosten, Leiter der Virologie an der Berliner Charité
„Coronavirus-Update“ von NDR Info
Christian Drosten sei es gelungen, „komplexe naturwissenschaftliche und epidemiologische Zusammenhänge allgemeinverständlich darzulegen“, heißt es in der Begründung des Beirats. „Mit seinem Mut, uns am stets wachsenden, aber längst noch nicht umfassenden Erkenntnisgewinn teilhaben zu lassen, hat er uns auf eine spannende Entdeckungsreise zum Virus mitgenommen. Diese Gradlinigkeit, populär zu erklären, ohne populistisch zu werden, sich öffentlich aufgrund neuer Erkenntnisse, soweit nötig, auch zu korrigieren, stets auf die Aufgabentrennung zwischen Wissenschaft und Politik zu bestehen, haben ihn zur zentralen Stimme in der Pandemie werden lassen.“ Damit habe er die Voraussetzungen für erfolgreiches Radio und Audio, für spannenden Wissenschaftsjournalismus geschaffen.
Hinter dem Deutschen Radiopreises stehen als Stifter die ARD, das Deutschlandradio und die deutschen Privatsender. Gesellschafter sind die gemeinsame Gattungsinitiative Radiozentrale und die NDR Media, die Werbetochter des NDR. Als Kooperationspartner sind das Grimme-Institut, Hamburg sowie die Radio-Vermarkter AS&S Radio und RMS an Bord. Die Federführung hat der NDR inne.