Heute möchte ich das „Wie“ beleuchten. Wie sagen wir Dinge im Radio? Wie betonen wir? Wie schnell sprechen wir? Und vor allem: welche Art von Stimme kommt am besten an?
Natürlich ist es eine Binsenweisheit, dass die Stimme im Radio wichtig ist. Warum aber legen so viele Sender so wenig Wert auf den Klang einer Stimme?
Ich wollte mehr über die Wahrnehmung von Stimmen im Radio wissen und habe bei der Recherche für mein Buch „Erfolgreich Radio machen“ Emma Rodero entdeckt.
Emma ist Professorin für Kommunikationswissenschaften an der Pompeu Fabra Universität in Barcelona und hat mehr als zehn Bücher und ca. 50 wissenschaftliche Artikel über Kommunikation im Radio veröffentlicht. Seit Jahren forscht sie in Spanien und den USA über die Wirkung von Radiostimmen. Im Wissenschaftsfachblatt US-CHINA EDUCATION REVIEW Ausgabe April 2013 schreibt sie:
»Die Tonlage einer Radiostimme muss tief sein. Die meisten Menschen bevorzugen tiefe Sitmmen, da diese eine größere Glaubwürdigkeit und mehr Vertrauen ausstrahlen. Das ist leicht zu verstehen, wenn man tiefe Stimmen mit höheren vergleicht, zum Beispiel mit der eines Kindes. Höheren Stimmlagen (…) wird nicht so stark vertraut wie tieferen Stimmlagen. Aus diesem Grund empfiehlt die Mehrheit aller Autoren zu diesem Thema für wichtige Botschaften im Radio tiefere Stimmen zu wählen…wie z.B. Keith Cohler in seinem 1985 erschienenen Buch „Broadcast Journalism: A Guide for the Presentation of Radio and Television News“. Er schreibt: ›Im Radio werden die tieferen Stimmlagen bevorzugt – das gilt für männliche und weibliche Stimmen. Sorry für die hohen und die Sopran- Stimmen, aber so funktioniert es‹. All diese Angaben stimmen exakt mit unseren Untersuchungen überein. Die Schlussfolgerung lautet, dass radiotaugliche Stimmen die sind, welche eine tiefere Tonlage haben und dadurch Sicherheit und Glaubwürdigkeit ausstrahlen. In einer spezifischen Studie (…) wurden die Teilnehmer gefragt, von welcher Art von Stimmen sie lieber Radionachrichten präsentiert bekommen wollen. Die Antwort war klar: es waren immer die tiefen Stimmen – egal ob Männer oder Frauen. Diese wurden als kraftvoller, verständlicher, glaubwürdiger, ruhiger, direkter, kommunikativer, näher, freundlicher, wärmer und natürlicher empfunden.«
Vermutlich erklärt das auch die Vorliebe der Radiomacher für Männer als Morgenshow-Anchor. In jedem Fall machen diese Ergebnisse deutlich, wie wichtig die Tonlage einer Stimme für deren Akzeptanz ist. Und wie viel mehr Aufmerksamkeit wir der Stimme eines Moderators schenken sollten (und entsprechend auch der Sprecherziehung und Stimmbildung).
In einer neuen Studie mit 153 Teilnehmern an der Indiana University, die Emma Rodero bei den RDE in Paris vorgestellt hat, beleuchtet sie Sprechgeschwindigkeit, Betonung und Variation innerhalb von Radiowerbespots und deren jeweilige Wirkung auf den Hörer.
Teile des Ergebnisses kennen wir:
– Niemand will angeschrien werden (wie es dennoch in so vielen Spots passiert…).
– Niemand will von Worten überrollt werden (wie es gerade in jungen Formaten oft immer noch zum vermeintlich guten Ton gehört).
– Eintönigkeit langweilt und führt zum geistigen Abschalten des Hörers.
Warum aber gilt es in jungen CHR Formaten immer noch als hip, die Hörer anzuschreien oder überdreht in Breaks einzusteigen? Warum überholen sich Moderatoren oft selbst beim Sprechen? Und warum legen Radioverantwortliche so wenig Wert auf das „Wie“ einer Moderation?
Hier die Herangehensweise und die wissenschaftlichen Erkenntnisse der genannten Studie:
Den Probanden wurden 48 verschiedene Werbespots in verschiedenen Tempi und Ansprechhaltungen vorgespielt.
Untersucht wurden zunächst Herzschlag, Hirnströme, Hauttemperatur und Pupillenbewegung beim Hören und dann die Erinnerung an die Spots.
Ziel war optimale Wohlfühlwerte und ein hoher Aufmerksamkeitsgrad beim Zuhören und anschließend eine gute Erinnerung und des Gehörten bzw. eine adäquate Wiedergabe der Botschaft der Spots.
Die Ergbnisse: Am einprägsamsten waren die Werbespots, die mit Stimmvariation gearbeitet haben (schnell, langsam, unterschiedliche Betonungen). Diese wurden von den Probanden auch als am angenehmsten empfunden! Das gilt auch für Moderationen, die z.B. eine Major Promotion oder eine andere wichtige Botschaft an den Hörer bringen wollen: Variation in der Ansprechhaltung und im Sprechtempo bei einer durchschnittlich idealen Sprechgeschwindigkeit fördern das Verständnis für unsere Message. Eine zu langsame Sprechweise törnt genauso ab wie eine zu schnelle. Ideal sind für eine optimale Verständlichkeit in Moderation, Nachrichten und Werbung zwischen 170 und 190 Worte pro Minute. Diese Sprechgeschwindigkeit führt dazu, dass die Worte gut verstanden und vor allem auch erinnert werden. Wird langsamer gesprochen, lässt die Aufmerksamkeit nach und damit das Erinnerungsvermögen für das Gehörte. Wird zu schnell gesprochen, ist das Gehirn des Hörers überfordert und es bleibt am Ende gar nichts hängen. Zu langsames Sprechen ist also genauso kontraproduktiv wie zu schnelles.
Mit optimaler Betonung, Variation in der Stimme und einer Sprechgeschwindigkeit zwischen 170 und 190 Worten pro Minute erreichen wir also nicht nur optimale Erinnerungswerte für unsere Botschaften, sondern auch den bestmöglichen Wohlfühlfaktor beim Hörer und damit eine hohe Sympathie für den Moderator und natürlich „seine“ Radiostation.
Wichtig sind also:
– eine tiefere Stimmlage (!!!)
– Modulation (hoch, tief, schneller, langsamer)
– eine Sprechgeschwindigkeit von ca. 180 Worten pro Minute.
Zusammengefasst: wenn wir sicher sind, dass das WAS wir sagen, gut formuliert ist, entscheidet das WIE über die Aufnahmebereitschaft für eine Botschaft und die Tonlage der Stimme über die Beliebtheit über die eines Moderators. Leider heißt das auch: manch einer kann sich noch so bemühen, hat seine Stimme nicht die optimale Tonlage, wird das alles wenig nützen. Leider. Dasselbe gilt natürlich auch umgekehrt… die gute Stimme alleine reicht auch nicht aus. Zum Glück.
Herzlichst,
Yvonne Malak
Yvonne Malak
Erfolgreich Radio machen,
320 Seiten, 25 farb. Abb., Klappenbroschur
ISBN 978-3-86764-553-9
34,99 € UVK Verlag Konstanz
http://www.uvk.de/isbn/9783867645539
Yvonne Malak ist Radioberaterin und berät eine Vielzahl von Radiostationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Yvonne Malak schreibt monatlich für die radioWOCHE. Die nächste Ausgabe erscheint am 02. Mai 2016.
Alle bisher veröffentlichten Publikationen von Yvonne Malak finden Sie auch unter www.my-radio.biz/category/publikationen/radiowoche/