Heißt das Radio der Zukunft wirklich Digitalradio? Diese spannende Frage wurde und wird immer wieder gerne diskutiert. Gemeint ist der Übertragungsweg DAB+. Die vermeintliche Radiozukunft DAB+ soll, geht es nach einigen Radiomachern wie z. B. Deutschlandradio Intendant Dr. Willi Steul, so schnell wie möglich UKW ablösen. In der Tat hat Digitalradio für den Hörer den Vorteil, dass er deutlich mehr Sender in einer besseren Qualität hören kann. Für Radiomacher hätte Digitalradio langfristig den Vorteil, dass die Kosten für die Verbreitung ihrer Programme gegenüber UKW deutlich günstiger werden würden.
Es gibt aber noch einen weiteren Vorteil: Digitalradio sendet auf einer Gleichwelle, also von verschiedenen Standorten, aber auf gleicher Frequenz. Damit fällt ein lästiges Umschalten oder Sendersuchen weg. Im besten Fall hat man also von Lübeck bis Konstanz durchgehend guten Empfang ohne die Frequenz seines Lieblingssenders auch nur einmal wechseln zu müssen.
Doch genau da fangen für viele Privatradiomacher die Probleme an. Denn die landesweiten Sender finanzieren sich oft aus regionalen Erlösquellen. So strahlt zum Beispiel das sächsische Privatradio HITRADIO RTL in seinem UKW-Sendegebiet drei regionalisierte Varianten für die Regionen Leipzig, Dresden/Lausitz und Chemnitz/Vogtland aus. Würde der Sender sachsenweit im Digitalradio senden, müssten also insgesamt drei Regionalversionen von HITRADIO RTL im Digitalradio ausgestrahlt werden, um keine Einnahmen aus der Werbung zu verlieren. Man hätte also Kosten für drei Sendeplätze. Andere Privatsender haben noch deutlich mehr regionale Programmfenster und hätten dementsprechend dann auch höhere Kosten bei einer Digitalradioverbreitung.
Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk scheint man sich zu diesem Thema keine Gedanken zu machen. So kann es sich beispielsweise der Mitteldeutsche Rundfunk leisten, im gleichen Sendegebiet wie HITRADIO RTL, insgesamt fünf Programmplätze allein für seine Regionalversionen von MDR 1 RADIO SACHSEN zu nutzen. Auf UKW hätten sich die Gebührenzahler schon längst über einen solchen Irrsinn aufgeregt – im Digitalradio lässt es sich kaum vermeiden, denn Digitalradio hat ein großes Problem: Da man immer auf der gleichen Frequenz sendet, ist es nicht möglich Programme in Regionen auseinander zu schalten.
Genau dieses Thema schreckt vor allem die Privatradiomacher ab, sehen sie doch dadurch ihre Einnahmen in Gefahr. Das bestätigt uns auch Steffen Müller, geschäftsführender Gesellschafter von Radio 21 in Garbsen bei Hannover. Radio 21 sendet über insgesamt 22 UKW-Frequenzen in Niedersachsen und jede dieser Frequenzen wird 15-20 Mal pro Stunde lokal bespielt. Sei es ein lokaler Jingle mit Frequenzansage, Nachrichten, das Wetter, Sport oder Veranstaltungstipps und vor allem natürlich lokaler Werbung. Mit diesem Geschäftsmodell hat es Müller geschafft, die Umsätze seines Senders innerhalb kürzester Zeit zu verdreifachen. Auch Müller sieht die Gefahr, dass sein Geschäftsmodell im Digitalradio keinen Bestand haben kann.
Doch für Müller und die anderen Privatradiomacher gibt es Hoffnung. So plant die Niedersächsische Landesmedienanstalt (NLM) einen Modellversuch, bei dem die Möglichkeiten der lokalen Auseinanderschaltung in Gleichwellennetzen getestet werden sollen. Also genau das, was Radio 21 auf UKW betreibt. Dazu Steffen Müller gegenüber der radioWOCHE: „Wir finden den Versuch ungeheuer wichtig, denn die ökonomische Zukunft des Privatradios liegt in einem konsequenten Ausbau regional und lokal begrenzter Inhalte und Werbung“. Reine Musikangebote könnten Spotify & Co inzwischen besser anbieten. Es solle deshalb getestet werden, ob es nicht doch noch Möglichkeiten der Lokalisierung bei DAB+ gäbe. Sollte dies nicht im ausreichenden Maß der Fall sein, sieht Müller für Radio schwarz: „Dann schaffen wir mit dem Umstieg in die DAB+ Welt selbst unsere eigentliche Kernkompetenz ab.“
Der zweijährige Modellversuch der NLM wird begleitet vom Institut für Nachrichtentechnik der Technische Universität Braunschweig. Die TU, unter Vorsitz von Prof. Dr.-Ing. Ulrich Reimers, beginnt ab 01. November 2015 den Modellversuch. Zunächst soll theoretisch geklärt werden, welche Möglichkeiten es gibt, die später dann auch praktisch umgesetzt werden. Dazu wird es ein Testgebiet von Hannover bis nach Helmstedt und Salzgitter bis nach Gifhorn geben. Der Modellversuch wird hälftig vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) gefördert.