Die neue rechtskonservative Regierung in Polen baut seit ihrem Wahlsieg Ende Oktober den Staat in rasantem Tempo nach ihren Vorstellungen um. Nach dem Verfassungsgericht, will sie sich 2016 die Medien vornehmen.
Rechtskonservative wollen Verfassungsgericht entmachten – Schleichender Staatsstreich
Die polnischen Wähler bescherten bei den Parlamentswahlen am 25. Oktober der rechtskonservativen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) die Mehrheit im Unterhaus (Sejm) und in der zweiten Kammer, dem Senat. Seit August stellt sie mit Andrzej Duda bereits den Staatspräsidenten. 37,58 Prozent der Stimmen reichten bei der Wahl zum Sejm für die absolute Mehrheit der Sitze, die PiS leitet aus diesem Votum einen Auftrag zum Staatsumbau ab. Die geballte Machtfülle, die sie errungen hat, setzt die Partei nun rigoros für dieses Ziel ein.
Erster Akt ist die Entmachtung des Verfassungsgerichts, das als letzte Instanz ihrer Allmacht noch entgegenstand. Die PiS peitschte kurz vor Weihnachten einen Gesetzentwurf durchs Parlament, der die Rahmenbedingungen für das oberste Gericht grundlegend ändert. Künftig kann es, anders als sein deutsches Pendant, Entscheidungen nur noch mit einer Zweidrittelmehrheit der Richter fällen. Auch andere Verfahrensänderungen sollen das Gericht lähmen und davon abhalten aktiv in das politische Tagesgeschehen einzugreifen. Da die PiS auf wackeliger Rechtsgrundlage kurz nach ihrem Wahlsieg fünf Verfassungsrichter mit Stallgeruch berufen hat, geht – wenn es zur Gesetzesänderung kommt – im Verfassungsgericht bald nichts mehr gegen den Willen der Regierung. Vorsorglich drohte man allerdings schon mal Richtern, die sich kritisch geäußert hatten, Disziplinarverfahren an. Schon jetzt weigerte sich die Parlamentsmehrheit, noch von der Vorgängerregierung, der Bürgerplattform, ernannte Richter zu vereidigen und Urteile des Verfassungsgerichtes zu veröffentlichen.
Ungarische Verhältnisse
Wie so ein schleichender Staatsstreich funktioniert, hat Viktor Orbán bereits seit 2010 in Ungarn vorgemacht. Ohne anhaltenden Widerstand aus Europa zu ernten, Orbáns Rechtskonservative sitzen weiterhin gemeinsam mit der CDU/CSU im Europäischen Parlament in einer Fraktion. Die To-Do-Liste ist immer gleich – Verfassungsgericht schleifen, Medien und Kulturinstitutionen auf Linie bringen, Führungspositionen in Ämtern besetzen, das Wahlrecht so umgestalten, dass es die eigene Partei dauerhaft bevorzugt.
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk wird auf Linie gebracht
Auch Polens Medienlandschaft haben die Rechtspopulisten im Visier, entsprechende Gesetze werden im Januar erwartet. Wie in anderen Bereichen werden ihre Parteigänger in Schlüsselpositionen einziehen – zum Beispiel beim Medienrat KRRiTV oder der Kartellbehörde. Allerdings gingen auch die letzte konservativ-liberale Regierung und deren Vorgänger in ähnlicher Weise vor. Die PiS legt allerdings ein rasantes Tempo und eine große Akribie an den Tag. Es beschleicht einem der Eindruck, dass die PiS nicht nur einfach ihre Leute mit Posten versorgen will, sondern ein größeres, ideologisches Ziel verfolgt. Dass die Rechtspopulisten es Ernst meinen, wenn sie sagen, dass sie Polen dauerhaft und grundlegend verändern wollen.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll zum Sprachrohr der Regierungspolitik werden. Aus den staatlichen Aktiengesellschaften, in denen der polnische Rundfunk zuletzt organisiert war, sollen „nationale Kulturinstitute“ werden – sie wären damit ähnlich organisiert wie die Nationaloper oder das Nationalmuseum. An der Spitze stände jeweils ein direkt vom Kulturminister ernannter Chef. Die letzte Regierung hatte den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf Profit getrimmt und finanziell kurz gehalten. So gab es kaum noch Festanstellungen. Das unmoralische Angebot der neuen Regierung lautet jetzt, ein sicherer Arbeitsplatz für diejenigen, die sich in ihrem Sinne verhalten und berichten.
Unklar ist, wie es mit der Rundfunkgebühr weitergeht. Das polnische Rundfunkgebührensystem funktioniert nicht wirklich, die Abgabe entrichten nur 10 Prozent der Haushalte. Eigentlich hatte die Vorgängerregierung die Gebühr sogar ganz abschaffen wollen, das Projekt aber nicht umgesetzt. Die schlechte Zahlungsmoral der polnischen Gebührenzahler ist auch eine Folge dieser Schaukelpolitik. Die PiS plant jetzt eine niedrigere Gebühr, die aber verpflichtend, zum Beispiel als Aufschlag auf die Stromrechnung, eingezogen werden soll. Das würde die finanzielle Ausstattung des Rundfunks verbessern.
Vieles was jetzt geschieht ist nicht in Gänze neu. Die PiS war bereits 2005 in einer Koalitionsregierung an der Macht und brachte damals ein Mediengesetz auf den Weg, mit dessen Hilfe sie zentrale Stellen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit parteinahen Journalisten besetzte. Verantwortlich dafür war unter anderem Krzysztof Czabański, der von 2006 bis 2009 das öffentlich-rechtliche Radio leitete und dieses mit der Entlassung von mehr als 200 Journalisten auf Parteilinie brachte. Als neuer Regierungsbevollmächtigter für die Umgestaltung der Staatsmedien soll Czabański auch die jetzigen Reformen umsetzen.
Drohungen und Sanktionen gegen kritische Journalisten
Über Personalbesetzungen soll ein von Parlament und Präsident besetzter Rat bestimmen, unliebsame Journalisten – im leider allzu vertrauten Jargon der Rechtspopulisten „Lügner“, „Propagandisten“ oder „Spießgesellen“ – werden gehen müssen. Erste Vorboten dieser Entwicklungen sind schon zu erleben, teilweise live im Fernsehen. Aufsehen erregte bereits wenige Tage nach dem Amtsantritt der neuen Regierung die vorübergehende Suspendierung der Moderatorin Karolina Lewicka vom öffentlich-rechtlichen Nachrichtensender TVP Info. In ihrer Sendung wollte sie vom neuen Kulturminister Gliński wissen, auf welcher rechtlichen Grundlage dieser die Aufführung eines Theaterstücks von Elfriede Jelinek verbieten wolle und fragte mehrmals hartnäckig nach. Der Minister wurde ausfallend, nannte die Sendung ein Propagandaprogramm und drohte mit Konsequenzen. Unmittelbar danach wurde die Moderatorin wegen angeblicher „Abkehr von im öffentlichen Fernsehen gültigen Standards“ vom Dienst suspendiert, durfte nach Protesten ihrer Kollegen jedoch vorerst wieder auf den Bildschirm zurückkehren. Auch die Talkshow des regierungskritischen Tomasz Lis beim polnischen Fernsehen wird im Januar einstellt, wie bereits kurz nach dem Wahlsieg angekündigt wurde.
„Es ist alarmierend, wenn nach Ungarn nun auch in Polen eine rechtsnationale Regierung das Mediensystem von Grund auf umkrempelt und so ganz unverhohlen versucht, kritischen Journalismus zu verhindern und Reporter, die hartnäckig nachfragen, mundtot zu machen“, sagte der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr.
Der neue Staatsrundfunk, wie er der PiS vorschwebt, soll einen „nationalen Sendeauftrag“ bekommen und damit Teil der nationalistischen Kulturwende. Er soll an die patriotische Gesinnung der Polen appellieren und das Geschichtsbild der Nationalkonservativen vermitteln. Da wird es dann von tapferen, polnischen Heroen nur so wimmeln. Aber auch die Verschwörungstheorie rund um den Flugzeugabsturz 2010 in Smolensk gehört zum neuen Kanon. Damals starb Polens Präsident Kaczynski, dessen Zwillingsbruder auch ohne Amt immer noch die graue Eminenz der PiS ist.
Schreckgespenst der Repolonisierung von Medien – Deutsche Medienkonzerne am stärksten betroffen
Das zweite große Ziel der PiS ist, dass Polens Medien wieder in einheimische Hände gelangen. Der Kampfbegriff lautet Repolonisierung. Die polnische Presselandschaft wird seit der Wende von deutschen Medienkonzernen dominiert – Axel Springer in einem Joint Venture mit dem Schweizer Ringier Verlag, Burda, Bauer und die Passauer Neue Presse, die in Polens Regionalzeitungsmarkt marktführend ist. Eine Lösung wie sie Russland vorgemacht hat, wo ausländische Konzerne nur noch Beteiligungen von 20 Prozent an Medienunternehmen halten dürfen, ist innerhalb des Rechtsrahmens der Europäischen Union nicht umsetzbar. Doch es gibt andere Hebel, an denen die PiS ansetzen kann. Am naheliegendsten sind Vorstöße über das Kartellrecht, die Regierungssprecherin Kruk, die als Vorsitzende des Kulturausschusses im Parlament entsprechende Gesetze mit erarbeitet, kündigte bereits an, man wolle gegen vermeintliche Monopolbildungen vorgehen. Der Staat könnte aber auch selber Anteile übernehmen, wenn das Klima für ausländische Investoren zu unattraktiv geworden ist. Ebenfalls in der Diskussion ist, dass regierungsfreundliche Konkurrenzblätter mit Subventionen gepäppelt oder aufgebaut werden.
Im Radiomarkt ist der deutsche BAUER Verlag seit 2006 prominent mit der RMF-Senderfamilie vertreten, auch der französische Medienkonzern Lagardère ist als weiterer ausländischer Akteur am Markt. Die PiS spielt, gut vertraut aus den letzten Regierungsjahren der Rechtspopulisten, vor allem mit anti-deutschen Ressentiments, die in Polen immer noch verfangen.
Wie konnte es soweit kommen? Polen galt in den letzten Jahren immer als europäischer Musterschüler. Auch dank üppiger Subventionen aus Brüssel entwickelte sich ein kleiner Wirtschaftsboom, der sogar den europäischen Bankenkrisen der letzten Jahre trotzte. Doch der Aufschwung kommt nur einer kleinen Bevölkerungsschicht in Warschau und den Großstädten zu Gute. Das ländliche Polen bleibt weiter abgehängt, an vielen Menschen ging der Aufschwung komplett vorbei.
Radio Maryja als Haus- und Hofsender der Rechtspopulisten
Kritisch ist auch die Rolle der in Polen immer noch einflussreichen Katholischen Kirche, die viel zu oft mit den Nationalisten Hand in Hand schreitet. Herzstück dieser Mesalliance ist Radio Maryja. Ein erzkonservativer Radiosender, um den mittlerweile ein ganzes Medienimperium entstanden ist. Radio Maryja, das einem katholischen Orden nahesteht, hält eine der drei landesweiten UKW-Lizenzen in Polen, ist also überall im Land bestens zu empfangen und trägt so seine Botschaft in alle Winkel der Republik. Der Vatikan hält mittlerweile Abstand zum Sender, der aber von zahlreichen kirchlichen Würdenträgern in Polen weiterhin unterstützt wird. Das 1992 entstandene Radio Maryja hat sich zum Haus- und Hofsender der PiS entwickelt, der in jedem Wahlkampf offen für sie trommelt. Was sie eint, sind die gemeinsamen Feindbilder: das liberale Europa, Homosexuelle, Abtreibungen, Kommunisten. Ebenfalls beiden eigen sind antisemitische Entgleisungen. Der „stern“ zitiert in seiner aktuellen Ausgabe einen polnischen Witz, der die Rolle des Senders überspitzt so zusammenfasst: „Warum ist Polen der modernste Staat der Welt? Weil er von einem Radiosender gesteuert wird.“