Dem Radiomarkt in Nordrhein-Westfalen stehen in den nächsten Jahren große Veränderungen bevor, das ist Ergebnis eines im Auftrag der Landesanstalt für Medien NRW erstellten Gutachtens, das heute in Düsseldorf der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Darin entwirft der Berliner Medienwissenschaftler Klaus Goldhammer vier Szenarien für die „Zukunft des Hörfunks in Nordrhein-Westfalen 2028“ und prognostiziert, wie sich die wirtschaftliche Situation der Hörfunkanbieter in NRW bis 2028 entwickeln könnte.
Sollten die NRW-Lokalfunker künftig verstärkt auf DAB+ setzen, würde der Marktanteil, den Onlineradio an der Hörfunknutzung einnimmt, laut der Goldmedia-Studie von acht Prozent im vergangenen Jahr auf 49 Prozent im Jahr 2028 steigen. Der Marktanteil von UKW, das mit 88 Prozent aktuell noch der absolut dominierende Verbreitungsweg von Hörfunk in NRW ist, wird hingegen auf 33 Prozent zurückgehen. Für DAB+ sieht die Studie in zehn Jahren eine Nutzung von 20 Prozent voraus, 2017 lag diese bei 4 Prozent. Wenn die NRW-Lokalfunker sich nur eingeschränkt beim Thema DAB+ engagieren, so fiele die DAB+-Nutzung im Jahr 2028 nach Goldhammers Berechnungen mit 17 Prozent etwas geringer aus. Der Trend hin zur Online-Nutzung wäre allerdings auch im Rahmen dieses Szenarios ungebrochen. Und das hat auch finanzielle Auswirkungen: Die Gesamterträge für den Radiomarkt in NRW könnten laut dem Gutachten von 107 Millionen Euro im Jahr 2017 auf 79 Millionen Euro im Jahr 2028 sinken.
Folgt man Goldhammers Prognosen, so stehen dem Radiomarkt in NRW große Umwälzungen bevor, da sich die Nutzungsgewohnheiten der Radiohörer stark verändern werden. Der Anteil von UKW an der Hörfunknutzung könnte je nach Szenario bereits in den kommenden fünf Jahren um bis zu 30 Prozent absinken. „In den nächsten Jahren wird der Konkurrenzdruck auf den klassischen UKW-Hörfunk erheblich steigen. Die Bedeutung von UKW wird durch digitale Verbreitungswege und neue Wettbewerber zwangsläufig abnehmen. Lokalradios und radio NRW können mit eigenen Konzepten hier gegensteuern“, sagte Klaus Goldhammer auf einer heutigen Fachtagung der Medienanstalt NRW in Düsseldorf.
Das langsame Ende von UKW als Hauptverbreitungsweg für Radio stellt eine besondere Herausforderung für Nordrhein-Westfalen dar, denn das Bundesland hat ein ganz eigenes Hörfunkmodell etabliert. Über das Land verteilt existieren 44 Lokalsender, die von radio NRW aus Oberhausen ein Rahmenprogramm zugeliefert bekommen. Diese Lokalsender sind nach dem Zwei-Säulen-Prinzip aufgebaut – eine privatwirtschaftlich organisierte Betriebsgesellschaft kümmert sich um die wirtschaftlichen Belange. Hinter ihr stehen die NRW-Tageszeitungsverlage – also DuMont, Rheinische Post, Funke Mediengruppe, Neue Westfälische, die Ippen-Gruppe und einige kleinere Verlagshäuser. Auch die jeweiligen Kommunen halten Beteiligungen. Parallel existiert die Veranstaltergemeinschaft (VG), dies ist ein eingetragener, nichtkommerzieller Verein, in dem sich alle gesellschaftlich relevanten Gruppen am Ort zusammenfinden. Also Vertreter von Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden, Kirchen, Ausländerbeiräten oder Sport- und Sozialverbänden. Die VG hat die Programmverantwortung inne, bei ihr sind die Redakteurinnen und Redakteure angestellt. Klingt kompliziert, ist es auch.
Das System bringt manche Vorteile mit sich – es schafft Arbeits- und Ausbildungsplätze vor Ort und ermöglicht Lokalberichterstattung auch in wirtschaftlich weniger attraktiven Gegenden. Erkauft wird dies dadurch, dass es für die rund 18 Millionen Einwohner Nordrhein-Westfalens – auch in Ballungszentren wie Düsseldorf, Köln und den Ruhrgebiets-Städten – nur ein Privatradio gibt. Spartenformate oder kommerzielle Programme für junge Hörer fehlen dadurch auf UKW gänzlich.
Das Goldmedia-Gutachten zeigt nun erneut auf, dass UKW als Hauptverbreitungsweg für Radio ein absehbares Ablaufdatum hat. DAB+ schätzt es eher als Ergänzung ein, während die Zukunft der Radionutzung im Internet liege – wo allerdings auf die Hörfunkanbieter bereits neue potente Wettbewerber wie Audio- und Video-Streamingplattformen warten.
„Digitale Übertragungswege gewinnen auch im Hörfunk zunehmend an Bedeutung. Ziel der Landesanstalt für Medien NRW ist die möglichst umfassende Versorgung der Bevölkerung mit einem vielfältigen und zukunftstauglichen Audio-Angebot. Über die digitalen Verbreitungswege besteht die Chance, Vielfalt zu erhöhen, und zwar sowohl bei den Inhalten als auch bei den Veranstaltern. Ob dies über DAB+ oder über Streamingangebote erfolgen wird, entscheidet letztlich der Markt“, sagt LfM-Direktor Tobias Schmid. Die Medienanstalt startet am 1. Oktober einen „Call for Interest“ für DAB+. Hierdurch soll die konkrete Nachfarge nach Übertragungskapazitäten in NRW festgestellt werden. Hörfunkveranstalter sind aufgefordert, bis zum 29. Oktober 2018 ihr Interesse an einer DAB+-Verbreitung an Rhein und Ruhr mitzuteilen.