Ende September entzog die Türkei 23 weiteren Fernseh- und Radiosendern die Lizenz. Möglich machen es Notstandsgesetze, die nach dem gescheiterten Putsch im Juli in Kraft gesetzt und nun verlängert wurden. Zehn Radioprogramme sind von den neuerlichen Maßnahmen betroffen.
Direkt nach dem Putschversuch schloss die türkische Regierung bereits 131 Medien. Zunächst hatte sie vor allem diejenigen Medien im Visier, denen sie eine Verbindung zur in Ungnade gefallenen und verbotenen Gülen-Bewegung nachsagte. Erdogan macht den im US-Exil lebenden Prediger Gülen für den Putschversuch verantwortlich, was dieser bestreitet.
Im September traf es nun vor allem linke, oppositionelle und pro-kurdische Medien. Einigen wirft die türkische Regierung Nähe zur verboten Kurdenorganisation PKK vor. Viele der jetzt geschlossenen Stationen sendeten allerdings über zwei Jahrzehnte lang unbehelligt und eine direkte Verbindung zum Putsch und seinem Umfeld erscheint oftmals geradezu absurd.
Einen Rückzieher machte die Regierung jetzt überraschend bei Yön Radyo, das eigentlich auch seine Lizenz verlieren sollte. Der beliebte Istanbuler Sender hat sich der Türkü-Volksmusik verschrieben und gehört zu den zehn meistgehörten Stationen in der Metropole und ist in den Top 20 der Türkei, wie die „Frankfurter Rundschau“ schreibt. Er ist aber auch ein Sprachrohr einer weiteren religiösen Minderheit in der Türkei, der Aleviten. Das könnte ein Grund sein, warum er sich auf der Schließungsliste wiederfand. Zahlreiche Künstler und Oppositionspolitiker machten sich für seinen Erhalt stark, scheinbar mit Erfolg, da die Regierung ihre Entscheidung revidierte. Ebenfalls weitersenden darf der kurdische Zeichentrickkanal Zarok TV. Auch der Kinderkanal sollte seine Lizenz verlieren. Die Cartoons dürfen jetzt doch weiterlaufen, der TV-Kanal bekommt allerdings Auflagen, so darf er nicht mehr ausschließlich in Kurdisch senden. Es verfestigt sich der Eindruck, dass Medienin der Türkei nun ganz ohne Lizenzierungsverfahren nach Gutdünken geschlossen und gelegentlich dann auch wieder zugelassen werden können.
Seine UKW-Lizenz verloren hat hingegen Özgür Radyo, das in Istanbul auf 95,1 MHz sendete. Das seit 21 Jahren bestehende freie Radio versucht dem Verbot zu trotzen und als Internetradio weiterzumachen. Am 14. November hat das Programm seinen Sendebetrieb im Netz wieder aufgenommen.
Geldik 🙂#YenidenÖzgürRadyo pic.twitter.com/LHZVBLIFoR
— Özgür Radyo (@ozgurradyo) 14. November 2016
Dünya Radyo (Istanbul 106,8 MHz, weitere Frequenzen u.a. in Ankara, Izmir) wurde ebenfalls abgeschaltet, genauso wie Özgür Güneş Radyosu in Malatya, Radyo Ses aus Mersin, Radyo Rengîn in Mardin, Radio Karacadağ in Urfa, das seit 22 Jahren auf Kurdisch, Türkisch und Arabisch sendete, ART Radyo und Uşak Radyo Klas.