„Die digitale Zukunft des Radios wird nicht auf einen Übertragungsweg zu reduzieren sein.“ Mit diesem Ausblick eröffnete Klaus Schunk, Vorsitzender des Fachbereichs Radio und Audiodienste des VPRT, das Panel „Die Radio-Agenda: Smart und im Ohr – Die Radio-Zukunft“, mit dem der Verband Privater Rundfunk und Telemedien e.V. (VPRT) auf den Medientagen München die drängenden Zukunftsfragen des Radios diskutierte. „Das Ende der Abschaltdebatte über UKW, ein Aufdecken der Scheinheiligkeit der ARD bei DAB+ sowie endlich klare Grenzen gegen einen öffentlich-rechtlichen Verdrängungswettbewerb wie zuletzt durch das Jugendangebot mit vernetzten Hörfunkwellen“ sind laut Schunk neben der Auffindbarkeit auf digitalen Plattformen die zentralen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zukunft im Privatradio.
Schunk betonte, dass die Digitalisierung des Radios auf vielen Wegen stattfinde: „Radio ist schon heute digital. Die Debatte zur Zukunft des Radios muss alle Wege und Endgeräte umfassen, die die Hörer nutzen“, so Schunk. Die Privaten würden umfassend in diese neuen Technologien investieren. So würden z. B. mit der von Privatradios gegründeten Radioplayer Deutschland GmbH rund 140 private Radioprogramme gebündelt, online empfangbar gemacht und als aggregiertes Angebot zur Nutzung über eine einheitliche Schnittstelle insbesondere für die mobile Nutzung zur Verfügung gestellt.
„All diese Investitionen und weiteren digitalen Aktivitäten erfordern eine solide wirtschaftliche Grundlage und ein funktionierendes Geschäftsmodell, das man nicht durch eine ‚Abschaltdebatte‘ gefährden darf“, so Schunk. Stattdessen will der VPRT die Diskussion über die Auffindbarkeit auf mobilen Endgeräten vorantreiben, etwa mit einem technologieneutralen Multi-Chip, der neben UKW und DAB+ auch Internet enthalte. Schunk appellierte an die Medienpolitik: „Auf die digitale Radio-Agenda gehört auch das Thema ‚Must Carry‘ bzw. ‚Must be found‘ für privates Radio auf digitalen Plattformen. Die Vielfaltssicherung in diesem Bereich ist eine wichtige Aufgabe für die Regulierung.“
Nicht zuletzt bestimme der Wettbewerb mit den ARD-Radios die Chancen in der digitalen Zukunft: „Der digitale Verdrängungswettbewerb durch die ARD muss gestoppt werden. Die scheinheilige Argumentation einiger ARD-Radios, von der KEF erhebliche Gelder für die Digitalisierung zu fordern und gleichzeitig die Wettbewerbs- und Jugendprogramme auf leistungsstarke UKW-Frequenzen aufzuschalten, muss öffentlich diskutiert werden.“ In diesem Zusammenhang kritisierte Schunk auch das von den Ministerpräsidenten letzte Woche beauftragte Jugend-Onlineangebot und dessen angekündigte Vernetzung mit den Hörfunkwellen: „Die Politik muss die erheblichen negativen Auswirkungen auf den Privatradiomarkt beachten. Ein 45 Millionen schweres Onlineangebot ohne inhaltliche und zeitliche Grenzen, ohne vorausgehenden Markttest und mit Vernetzung regionaler Radiomarken zu bundesweiten Crossmedia-Angeboten, obwohl nur das Deutschlandradio bundesweit agieren darf, ist nicht akzeptabel. Bei der Umsetzung der Pläne müssen ARD und ZDF klare Grenzen für das Angebot und gegen die crossmediale Vermarktung zulasten von Radio gesetzt werden. Anderenfalls würden die privaten Veranstalter Brüssel in den Blick nehmen müssen.“
Im Anschluss an die Eröffnung stellte Kristian Kropp, Geschäftsführer bigFM/RPR 1, Thesen zur Zukunft des digitalen Radios und der Transformation der Inhalte im digitalen Umfeld vor: Radiocontent müsse auf digitalen Plattformen gefunden werden, immer wichtiger werde die digitale Spur, die nicht allein durch audiobezogene Inhalte erzeugt werde. Neben der Teilbarkeit und der Personalisierung von Inhalten sowie der Schaffung eines Umfelds für usergenerierten Content müssten starke Radiomarken vor allem als Inhalte-Aggregatoren fungieren.
Unter der Moderation von Petra Schwegler (w&v) diskutierten anschließend die Mitglieder im VPRT-Fachbereichsvorstand Radio und Audiodienste, Kai Fischer, Geschäftsführer Antenne Niedersachsen, und Philipp von Martius, Geschäftsführer Studio Gong, mit Dr. Klaus-Peter Potthast, Abteilungsleiter Digitalisierung/Medien im Bayerischen Wirtschaftsministerium, Joachim Becker, Direktor der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk, sowie Helwin Lesch, Hauptabteilungsleiter Planung und Technik des Bayerischen Rundfunks, die Anforderungen an die Digitalisierung und das Wettbewerbsverhältnis zwischen Privaten und Öffentlich-Rechtlichen im Radiobereich.
Kai Fischer kritisierte mit klaren Worten den Verdrängungswettbewerb der privaten Radioanbieter durch die ARD-Radioprogramme, die mit ihrer finanziellen Ausstattung und eigenen leistungsstarken und umfassenden UKW-Frequenzen einen erheblichen Wettbewerbsvorteil hätten. Er appellierte an die Medienpolitik, „dass nicht zu viele Fakten geschaffen würden, die dann nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten.“
Philipp von Martius betonte mit Blick auf die geplante UKW-Aufschaltung für BR PULS, dass damit umfassende Einnahmereduzierungen und ein eklatanter Wettbewerbsnachteil für die privaten Radios in Bayern verbunden seien, die sich zum größten Teil über UKW finanzierten. Das sei „existenzgefährdend“, er kündigte an, dass die privaten Anbieter sich deshalb „über den Klageweg zur Wehr setzen werden“.
Helwin Lesch verwies auf die gemeinsamen Interessen von privaten und öffentlich-rechtlichen Hörfunkanbietern als Gattung im Hinblick auf die Herausforderungen der Digitalisierung. Dies gelte beispielsweise für die Verbreitung auf neuen Plattformen. Er appellierte deshalb für mehr Miteinander und weniger Gegeneinander. Hinsichtlich der Digitalisierungsstrategie setzte er sich dafür ein, nicht alle digitalen Verbreitungswege gleichermaßen zu forcieren, sondern sich zu fokussieren. Nur so sei eine erfolgreiche Digitalisierung angesichts der Ressourcen des Radios möglich.
Dr. Klaus-Peter Potthast betonte hinsichtlich der aus seiner Sicht sinnvollen perspektivischen Abschaltung der UKW-Frequenzen die Notwendigkeit für die Radioanbieter, in die Digitalisierung zu investieren und sie konsequent voranzutreiben. Er wies darauf hin, dass seitens des Ministeriums die Umstellung zur Digitalisierung gefördert werde. Darüber hinaus plädierte er aber auch für eine gerechtere Ressourcenverteilung zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Hörfunk, auch hierzu könne die Digitalisierung beitragen.
Joachim Becker unterstrich, dass das Radio sich bemühen müsse, auch digital verbreitet zu werden. Mit Blick auf die öffentlich-rechtliche Frequenzpolitik unterstützte er die Kritik des VPRT. Zudem seien weder die LPR Hessen noch private hessische Radiosender von UKW-Aufschaltungen von YOU FM des HR informiert gewesen und davon vollkommen überrascht worden. In diesem Zusammenhang warb er auch dafür, dass Transparenz ein wichtiger Bestandteil eines fairen dualen Rundfunksystems sein müsse.
Der Fachbereichsvorstand Radio und Audiodienste im VPRT hat die aktuelle Position des Verbandes zum Thema Digitales Radio in einem Papier zusammengefasst, das unter http://www.vprt.de/verband/positionen verfügbar ist.