Smartspeaker verbreiteten sich in den letzten drei Jahren dreimal so schnell wie Smartphones seinerzeit im gleichen Zeitraum! Die für uns Radiomacher am meisten herausfordernde Neuigkeit wird dabei von GOOGLE kommen. Eine Art individualisiertes Radio-Programm.
Zeit für einen Experten-Talk mit einem Fachmann für diese Geräte, der dank seiner eigenen Radio-Vergangenheit versteht, wie wir diese Herausforderungen angehen können:
Marco Maas, 41, ist Gründer und Geschäftsführer der Datenfreunde GmbH, die für Radiosender Skills und Actions entwickelt. Maas hat selbst mehrere Jahre beim NDR gearbeitet. Seine Agentur hat für ihre Arbeiten mehrere Grimme-Preise, LEAD-Awards und diverse andere Auszeichnungen erhalten.
Yvonne Malak: Marco, 2018 wurden 100 Millionen Smartspeaker alleine von bzw. mit AMAZONS „Alexa“ verkauft und eine noch höhere Zahl bei GOOGLE Assistant-Geräten – dort hat die Firma angeblich bereits 1 Milliarde Geräte in der Welt . Fürs Radio bedeutet das vor allem: wir müssen dort leicht auffindbar sein. Was bedeutet das noch fürs Radio?
Marco Maas: Das sind klare Zeichen, dass das Thema Sprachassistenz auf dem Weg in den Massenmarkt ist. Es wird künftig immer alltäglicher werden, Dinge per Sprache zu bedienen, auch wenn sich das jetzt noch etwas ungewohnt anfühlen mag. Radiosender haben hier gute Chancen, wenn sie gut auffindbar sind und spezifische Inhalte für die Zielgruppen anbieten, die sie über die neuen Geräte konsumieren.
Yvonne Malak: Letzten Monat habe ich hier über die Wichtigkeit einer vernünftigen On Air Promotion für Smartspeaker bzw. Sprachassistenten geschrieben und dafür geworben, dass wir den Hörern jeweils beibringen, wie genau die Sprachbefehle lauten, mit dem sie uns in den Smartspeakern finden. Gibt es noch weitere Ideen für die Auffindbarkeit – jenseits der klassischen OAP?
Marco Maas: Zunächst: es gibt eine Vielzahl von verschiedenen Aufrufmöglichkeiten, mit denen ein Radiosender aufgerufen werden kann, leider stellt sich nicht bei allen Varianten der Erfolg ein – AMAZON hatte in den vergangenen Monaten immer mal wieder Fehler in der Form: Alexa, starte Radio A -> Radio A kommt, Alexa, öffne Radio A, Radio B kommt usw. – d. h., ich muss alle Moderatoren klar dahingehend instruieren, dass sie exakt die richtige Phrase kommunizieren. Nach unseren Erfahrungen laufen auch spezifische Facebook-Kampagnen, die sich an potentielle technikaffine Hörerinnen und Hörer richtet sehr gut – außerdem eine Chance so auch Zielgruppen zu erreichen, die noch gar nicht beim eigenen Sender regelmäßig zuhören. Plakatkampagnen und On-Air-Promotion mit Gewinnspielen können einen guten Medienmix abrunden.
Yvonne Malak: Du bist u.a. Experte für Alexa Skills. Warum ist das so schwierig, „meinen“ Sender zu finden? Manchmal startet Alexa den „richtigen“ Webstream der Sender, manche findet sie gar nicht. Was können wir tun, um dies zu verbessern?
Marco Maas: Die Ökosysteme von GOOGLE und AMAZON sind für Entwickler ein wenig wie Black Boxes – sie können nicht unter die Haube gucken und müssen Probleme teils durch Experimentieren lösen. Und leider ist es auch so, dass eine Phrase, die heute funktioniert, das morgen und übermorgen nicht wieder tun muss. Wir haben bei einem Kunden kürzlich viel „Spaß“ damit gehabt, dass AMAZON während einer Promotion-Phase das bis dahin funktionierende Wort „aktiviere Radio A“ mit einem anderen Verhalten belegt hat. Da hilft nur: Einen guten Draht zu AMAZON zu haben und fortlaufend die Phrasen zu testen. Wir machen das automatisiert für unsere Kunden.
Yvonne Malak: Ich persönlich glaube, dass sich die USPs für Radiosender ganz stark in Richtung Personality und emotionale Bindung durch Persönlichkeiten verschieben werden. Wo siehst du den Mehrwert von Radio in einer Welt voller Sprachassistenten?
Marco Maas: Ich glaube, dass Radiosender ihre Nische bei Sprachassistenten ganz besonders durch gute Inhalte finden können, hoch lokalisierte oder thematisch abgegrenzte Inhaltegruppen. Ich befürchte, dass Radiosender als Musikabspielstationen mit den besten Hits der 80er, 90er und dem besten von heute mittelfristig gegen algorithmische Dienstleister wie Spotify den kürzeren ziehen werden – dafür wissen AMAZON, FACEBOOK und GOOGLE einfach so viel mehr über uns. Radiomacher könnten sich auf besondere Formate konzentrieren, um hier einen Bereich zu bespielen, auf dem die Algorithmen noch sehr lange den Kürzeren ziehen werden.
Yvonne Malak: … also beispielsweise emotionale Bindung durch Persönlichkeiten und Kreativität bei der Aufbereitung von Inhalten…
Was müssen Radiosender heute noch tun, um künftig in der von Sprachassistenten gesteuerten Smartspeaker Welt noch gute Geschäfte zu machen?
Marco Maas: Das wichtigste meiner Meinung nach: Experimentieren, offen für die neuen Möglichkeiten sein, fortlaufend testen, ob hier ein neuer Markt entsteht und diesen dann entsprechend bespielen. Ein „weiter so wie bisher“ wird auch schon mittelfristig nicht funktionieren. Um mal ein Beispiel für die sich ändernden Parameter zu geben: NETFLIX hat gerade in einem Investorenbrief nicht den Mitbewerber HBO als Hauptkonkurrenten bezeichnet, sondern das Spiel Fortnite, das bereits 50 Millionen mehr Abonnenten als Netflix verzeichnen kann. Das heißt für die Radiobranche: evtl. ist nicht das Fernsehen, das Smartphone oder YouTube der Hauptkonkurrent, sondern irgendeine andere Sache. Um hier agil sich auf neue Anforderungen einzustellen, ist ein schnelles Agieren und Reagieren notwendig.
(https://www.heise.de/newsticker/meldung/Netflix-Fortnite-ist-eine-groessere-Bedrohung-als-HBO-4282537.html)
Yvonne Malak: Gibt es für Alexa Skills schon funktionierende Geschäftsmodelle?
Marco Maas: Noch ist das bei AMAZON und Co schwer – an vielen naheliegenden Punkten verbieten sie Werbung oder beschränken die Möglichkeiten durch Lizenzbedingungen weitreichend. Aber es gibt einige Möglichkeiten – so lassen sich z. B. Patronate auch innerhalb einer Skill ausspielen und gesondert vermarkten. Wir sind gerade mit zwei Stationen dabei, eine „Angebote der Woche“ Rubrik zu testen und denken über Ticketverkäufe nach – noch sind das alles kleinere Beträge, die aber strategischen Wert haben.
Yvonne Malak: Du arbeitest u.a. an Projekten für und mit GOOGLE. Was kommt da noch auf uns zu? Und was bedeutet das für uns Radiomacher?
Marco Maas: GOOGLE ist mit seinem GOOGLE Assistant noch ein schlafender Riese. In den USA gibt es bereits ein Projekt, bei dem einzelne Inhaltsstücke von verschiedenen Sendern durch künstliche Intelligenz kuratiert Nutzern als personalisiertes Morgen-Briefing ausspielen – und zwar beeindruckend gut. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch in Deutschland dieser Service gestartet wird. Sender müssen ihre Inhalte dann als so genannte Single-Topic-News anbieten können, um hier mitspielen zu dürfen.
(https://www.theverge.com/2018/12/6/18129278/google-assistant-audio-news-radio-replacement)
Das klingt nach der nächsten großen Herausforderung. Meine persönliche Einschätzung für konventionelles, klassisches Radio: die Morgensendung mit starken Persönlichkeiten und allem, was KI nicht kann (Emotion, Kreativität, Bindung) wird noch entscheidender für den Verlauf der Ratings in allen anderen Bereichen bis hin zu Web-Angeboten. Inhalte alleine – wie einige Kollegen es propagieren – werden nichts bewegen, die kann KI auch. Es geht in Zukunft – neben technischen Experimenten und „Trial and Error“ in der digitalen Welt – noch mehr um emotionale Bindung durch starke Persönlichkeiten.
Ihre
Yvonne Malak
Yvonne Malak
Erfolgreich Radio machen,
320 Seiten, 25 farb. Abb., Klappenbroschur
ISBN 978-3-86764-553-9
34,99 € UVK Verlag Konstanz
http://www.uvk.de/isbn/9783867645539
Yvonne Malak ist Radioberaterin und berät eine Vielzahl von Radiostationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Yvonne Malak schreibt monatlich für die radioWOCHE. Die nächste Ausgabe erscheint am 01. März 2019.
Alle bisher veröffentlichten Publikationen von Yvonne Malak finden Sie auch unter www.my-radio.biz/category/publikationen/radiowoche/