Yvonne Malak: Die Major und das Murmeltier

40 Jahre nach Start der ersten Privatsender in Deutschland und zig Millionen ausgelobte Gewinnspielgelder später sind Major Promotions mehr denn je eine Medaille mit zwei Seiten.

Deshalb möchte ich hier einige (neue) Gedanken dazu mit dir teilen.

Jede Medaille hat zwei Seiten
Eine gute Promotion kann bei Gewinnspiel-affinen Hörern und einem attraktiven Preis jede Menge bewegen: (abhängig vom Modus) Verlängerung der Verweildauer um einige Minuten, Recycling in einen anderen Tagesteil, regelmäßige Einschaltungen in die wichtigste Sendezeit, Image-Optimierung z.B. für bestimmte Sounds usw.

Mehrere Aspekte auf der Negativseite
Gewinnspielaffine Hörer werden immer weniger. Was vor 20 oder mehr Jahren noch eine Sensation war, erzeugt heute oft nur noch ein müdes Gähnen. Erfahrungswert: wenn zehn Prozent der Stamm- und Wechsel-Hörer sich an einer Major Promotion beteiligen, ist das ein sehr guter Wert. 15 oder gar 20 Prozent teilnehmende P1s und P2s sind schon eine kleine Sensation. Obwohl die meisten Majors mit für die jeweilige Zielgruppe attraktiven Preisen locken, nimmt also die weit überwiegende Mehrheit nicht daran teil.

Das sind 80 bis 90 Prozent der Stamm- und Gelegenheitshörer, die nie an Gewinnspielen teilnehmen und nur dann für ein Gewinnspiel dranbleiben, wenn es als Belohnung fürs Zuhören Spannung und/ oder Unterhaltung gibt.

Gleichzeitig gibt es in großen Wettbewerbsmärkten einen guten Anteil an Hörern, die von jeglicher Art von Gewinnspielen so genervt sind, dass diese Aktionen für sie per se ein Abschaltfaktor sind. Manche Märkte sind gnadenlos Gewinnspiel-übersättigt. Aus zahlreichen Studien in ebenso zahlreichen Märkten weiß ich, dass es in fast jeder Region einen Sender gibt, dessen negative Gewinnspielimages (leider) im Image-Ranking (zu weit) vorne liegen. Konkret heißt das: diese Sender werden stark mit „nervigen Gewinnspielen“ assoziiert – nicht gerade ein Quoten-Treiber.

Musik und Unterhaltung sind viel relevanter als Gewinnspiele
Weiteres Learning aus Marktforschungen: die Relevanz von Gewinnspielen liegt immer deutlich, deutlich hinter der Relevanz von Hits (bestimmter Genres und Dekaden), einer abwechslungsreichen Musikmischung, viel Musik am Stück, Unterhaltung und sympathischen Moderatoren – also hinter allen Musik- und Unterhaltungs-„Dimensionen“.

Ich bin ein Fan fester Verabredungen mit dem Hörer – aber…
Grundsätzlich bin ich immer für feste Verabredungen. Teaser sollten (eigentlich) immer eine Verabredung haben und damit einen Einschaltimpuls setzen. Auf Verabredungen zu verzichten, verprellt Hörer, die einen Sender auf der Suche nach einem geteasten Inhalt bzw. Gewinnspiel hören, dieser aber innerhalb des gehörten Zeitslots nicht stattfindet.

Das spricht also für Gewinnspiele mit fester Verabredung. Der Haken daran: ein möglicherweise negativer Murmeltiereffekt… Ein Anlass, Majors 2025 neu zu denken?

Und täglich grüßt… die Major Promotion…
Nehmen wir ein beliebiges Spiel mit Aufruf gegen 07 Uhr und Payoff etwas später – 07 Uhr 15 z.B. Was hört ein Hörer, der gewohnheitsmäßig jeden Morgen von 06 Uhr 55 bis 07 Uhr 20 Sender X einschaltet? Im schlechtesten Fall jeden Morgen einen wenig unterhaltsamen Gewinnspielaufruf und einen (möglicherweise auch noch zu langen) Pay Off.

Wer sowieso jeden Tag nur innerhalb eines kurzen Zeitslots einen Sender hört und dann immer zu „seiner Zeit“ außerhalb der Musik zwei Breaks erwischt, die sich um ein Gewinnspiel drehen, könnte schnell nach einer Alternative suchen, um dem Murmeltiereffekt auszuweichen.

Murmeltiereffekt zur besten Sendezeit sinnvoll?
Hand aufs Herz: sind wir alle wirklich sicher, dass es eine gute Idee ist, in der starken 7 Uhr-Stunde jeden Morgen zwei (im schlechtesten Fall aufeinanderfolgende) Breaks einer Promotion „zu opfern“. Ist das das Beste, was wir als Unterhaltungsmedium zu unserer stärksten Sendezeit anzubieten haben? Einen geschickten Kniff habe ich aktuell bei 104.6 RTL gehört: Aufruf für die Rechnungs-Promotion (übrigens unter 30 Sekunden!) und Pay Off (unter 1 Minute!) werden mit 40 Minuten Abstand gesendet, so dass jeder 30 Minuten Sweep nur einen (kurzen!) Major-Take enthält.

Feste Verabredung vs. Murmeltiereffekt
Bei allen Vorteilen der festen Verabredung und der Regelmäßigkeit („7 Uhr einschalten und gewinnen“) ist es eine Überlegung wert, das Risiko des Murmeltiereffekts dagegen abzuwägen und zu überlegen, ob andere Varianten nicht Vorteile haben, die vor allem die „Gewinnspiel-Genervten“ weniger verprellen und im besten Fall wieder zurückholen.

Einfache TSL-Spiele können für Sender, die nicht auf Gewinnspiele während der MA verzichten wollen, eine gute Alternative sein (am sinnvollsten mit dem Ziel, musikalische Images zu befördern). Der Modus „zwischen x Uhr und Y Uhr auf Z achten und gewinnen“ hat zwar den Nachteil, dass es keine auf die Minute verlässliche Verabredung gibt, aber auch einen großen Vorteil:

Der Murmeltier Effekt wird vermieden und Pay Offs können wie ein aktueller Hit durch eine festgelegte Zeitschiene rotieren. Einfache TSL Spiele sind in wenigen Sätzen erklärbar und Promos oder Teaser können in 20 Sekunden „erledigt“ sein.

Solche Modi müssen ja nicht die Regel werden, könnten aber Teil eines Mixes sein.

Alte Regeln über Bord werfen
Was das Teasing von Aktionen betrifft, wäre es ebenfalls eine Idee, mal was anderes auszuprobieren: Weg mit der gelernten Routine des Murmeltiereffekt-Teasers stündlich im Showopener plus (stündlich) im Promo vor dem Werbeblock und stattdessen floatend teasen (natürlich ab und an auch MAL im Showopener). Wer in der Planung der Teaser darauf achtet, dass jeder 30 Minuten Sweep mindestens jeden zweiten Tag Promotion-frei bleibt, erfreut mehr Hörer als er enttäuscht (denke daran: Nicht-Mitspieler sind eine große Gruppe von mindestens 80 Prozent…). Gut geplant können Teaser, Promos und PayOffs so durch den Tag rotieren, dass Hörer ausreichend mit der Promotion in Kontakt kommen, aber der Murmeltiereffekt vermieden wird.

Beispiel: am Montag wird die Promotion um 6 Uhr 25, 7 Uhr 10, 7 Uhr 55 und 8 Uhr 30 moderativ geteast, Dienstag um 6 Uhr 5, 6 Uhr 40, 7 Uhr 25 und 8 Uhr 10.

Eine gute Major Promotion läuft sowieso mindestens sechs oder acht Wochen. Jeder P1 oder P2 kommt in dieser Zeit ausreichend mit dem Spiel in Kontakt.

Und: Statt der klassischen Promo-Plätze zu Beginn der Werbeblöcke (Murmeltiereffekt) wären kurze Ramppromos in der Fläche eine Alternative. Diese können dann durch die Stunde wandern.

Dazu kommt, dass jeder Sender mehr als ein Kommunikationsziel hat und ein Gewinnspiel nicht auf Platz 1 der Dinge stehen sollte, die die Zielgruppe über den Sender lernen soll. Hintergrund: obwohl Gewinnspiele im Relevanz-Ranking weit hinten stehen, stehen sie bei einigen Sendern im Kommunikations-Ranking auf einer Stufe mit Musik und Morgenshow. Statt die Aktion zweimal pro Stunde zu kommunizieren, sind zwei Nennungen in 90 Minuten vielleicht auch ausreichend…

Nach 40 Jahren Gewinnspielradio in Deutschland und in einer Zeit, in der wir mit unzähligen anderen Unterhaltungsmedien konkurrieren, finde ich eine neue, andere Herangehensweise an Majors und deren Teasing zumindest überlegenswert.

Z.B.:

  • 50 Prozent TSL-Aktionen ohne Murmeltier-Effekt.
  • Teasing raus aus dem Showopener und stattdessen Teaser rollierend einsetzen.
  • Promos nicht ausschließlich vor dem Werbeblock platzieren und öfter mal durch floatende Ramppromos in der Fläche ersetzen.
  • Frequenz der Promos und Teaser reduzieren.
  • Durch gute Planung Gewinnspiel-freie Sweeps gestalten
  • Wenn möglich komplett Gewinnspiel-freie Zeiten einplanen.

Viele meiner Kunden handhaben Teasing und Aktions-Planung mittlerweile so flexibel und sind sicher, dass sie keinen einzigen Hörer verloren haben, weil sie den Major-Murmeltier-Effekt vermeiden 😉

Lass mich gerne deine Meinung dazu wissen! Und wie auch immer „dein“ Sender seine Gewinnspiele handhabt: In jedem Fall viel Erfolg dabei.

Deine Yvonne

Yvonne Malak
Das Moderationshandbuch: Alles, was Radio-Profis wissen müssen
201 Seiten
ISBN 3848782723
39,00 € Nomos

Yvonne Malak ist Radioberaterin und berät eine Vielzahl von Radiostationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Yvonne Malak schreibt monatlich für die radioWOCHE. Die nächste Ausgabe erscheint am 01. März 2025.

Alle bisher veröffentlichten Publikationen von Yvonne Malak finden Sie auch unter www.my-radio.biz/category/publikationen/radiowoche/

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