Eine Major Promotion soll für einen Sender etwas bewirken. Klar. Deshalb versuchen seit Anfang September Radiomacher in ganz Deutschland wieder zu manipulieren, was immer man mit Promotions manipulieren kann. Teilweise tun die Kollegen dies sehr gelungen, teilweise weniger gelungen und teilweise ohne (für mich) erkennbaren Nutzen für den Sender.
Zuerst: was soll eine Promotion erreichen?
Hier unterscheide ich zwischen taktischen und strategischen Promotions.
Strategische Promotions sollen ein Image bewegen.
Z. B. das Image für „die besten aktuellen Hits“ oder das Image für „die meisten 80er“, das Image für „die lustigste Morgensendung“ usw. Gute strategische Promotions sind in der Regel gleichzeitig taktisch und lösen zusätzlich Einschaltimpulse aus oder verlängern die Verweildauer wenigstens um einige Minuten oder sorgen dafür, dass Hörer nach Verlassen des Hauses z.B. morgens im Auto bei Sender A bleiben, statt wie sonst vielleicht gewohnt, auf der Fahrt zur Arbeit zu Sender B zu wechseln.
Taktische Promotion sollen sich ausschließlich auf die Ratings auswirken, haben aber keinen zusätzlichen strategischen Nutzen.
Um sich positiv auf die Ratings auszuwirken, müssen Promotions wenigstens eines dieser Kriterien erfüllen:
- Im besten Fall ist der Preis so interessant, dass eine relevante Menge an Hörern für das Gewinnspiel länger als sonst hört (zur Größenordnung dieser „Menge“ dann im kommenden Monat)
- oder den Sender öfter als sonst hört (mehrere Einschaltungen über den Tag, kein Wechsel tagsüber zum Zweit- oder Drittsender)
- oder an mehr Tagen in der Woche als gewöhnlich hört.
- Oder aber die Aktion (Stichwort „strategisch) verbessert ein wichtiges Image so stark, dass sich diese Image-Optimierung mittelfristig ebenfalls auf die Ratings auswirkt (in diesem Fall ist die Attraktivität des zu gewinnenden Preises zweitrangig, ebenso wie die sofortigen Auswirkungen auf die Ratings).
Ein spannendes, unterhaltsames, im besten Falle spektakuläres Gewinnspiel kann bei daran teilnehmenden oder daran interessierten Hörern zu einer besseren Umsetzung des Weitesten Hörerkreises und damit zu einer Steigerung der Tagesreichweite führen.
Wenigstens aber bewegt es die gewinnspiel-affinen Stammhörer dazu, länger oder öfter als sonst zu hören und so zu einer Steigerung der Stundennettoreichweite beizutragen (das aber auch nur, falls eine ausreichende Menge dieser gewinnspiel-affinen Hörer von der MA-Befragung erreicht werden…).
Das alles wiederum bedeutet, das Gewinnspiel muss zwingend so angelegt sein, dass man Radio hören muss (und da schließe ich selbstverständlich alle Übertragungswege ein), um zu gewinnen…
Ich habe im vergangenen Monat in Deutschland einige (!) Gewinnspiele gehört, für die man nicht mal das Radio einschalten (oder über App oder Stream hören) musste, um dabei zu sein… man konnte alles online erledigen … Es gab Preise für Menschen, die den Sender keine einzige Sekunde gehört haben…
Was gehört noch zu einem erfolgreichen Gewinnspiel? Es muss so einfach sein, dass es innerhalb von 30 Sekunden mit maximal drei Sätzen zu erklären ist. Denn jedes Mal, wenn es on Air ist, muss es für jeden einzelnen Hörer zu 100 Prozent nachvollziehbar sein. Ist es das nicht, redet der Mensch im Radio etwas für WHK- oder P2-Hörer Unverständliches und schließt diese aus. Zur Hörerbindung und WHK-Konversion trägt das nicht gerade bei… siehe auch hier.
Außerdem: Gewinnspiele brauchen Verabredungen oder realistisches TSL.
Stichwort TSL:Im Jahr 2022 muss ein Preis schon sehr attraktiv sein, um eine lange Verweildauer zu „erzwingen“. Realistische Teaser (über einige Minuten bzw. Viertelstunden hinweg) können die Verweildauer etwas verlängern – für sagen wir mal 100 Euro wird aber kaum jemand seine Gewohnheiten ändern und z.B. um 17 Uhr Radio hören, statt seine Lieblings TV-Soap zum Feierabend einzuschalten.
Verabredungen dagegen sind immer nützliche Einschaltimpulse. Aus den PPM Messungen in den USA wissen wir, dass Hörer das Radio am Tag fünf- bis sechsmal ein-, aus- und wieder einschalten. Aus der MA wissen wir, dass Hörer im Schnitt vier Sender in ihrem WHK haben. Konkrete Verabredungen zu attraktiven Gewinnspielen können also dafür sorgen, dass „dein Sender“ bei den fünf- bis sechs Umschaltungen am Tag immer die erste Wahl ist und kein weiterer Sender aus dem WHK genutzt wird.
Und habe als Macher bei der Gestaltung einer Promotion immer folgendes im Hinterkopf: Wir machen die Gewinnspiele für diejenigen, die nicht mitmachen! Das ist immer die Mehrheit. In jedem Fall sollten Promotions also so spannend und/oder unterhaltend sein, so dass auch diejenigen, die sich nicht für die Gewinne interessieren am Radio bleiben, bzw. im besten Fall für dieses Gewinnspiel, für dieses Quiz öfter oder zu einem anderen Zeitpunkt als sonst zusätzlich einschalten.
Das bedeutet im Umkehrschluss: Wenn die Moderationen, Promos, Pay Offs z.B. aufgrund des Modus‘ der Aktion nicht sehr spannend oder sehr unterhaltsam sind, sind die Breaks dazu zwingend so kurz wie möglich (und nur so lang wie nötig) – denn die Nicht-Mitspieler sind große Mehrheit.
Wir müssen bei der Gestaltung einer Promotion also einerseits an die Nicht-Mitspieler denken, andererseits aber auch an die, die von Promotions so sehr genervt sind, dass sie den Sender wechseln, um diesen auszuweichen.
Welche Gruppe glaubst du, ist größer? Diejenige, die dazu tendiert, an Radio-Gewinnspielen teilzunehmen oder die Gruppe, die davon genervt ist und deshalb auch einen Sender abschaltet…?
Das und weitere spannende Zahlen zum Thema Gewinnspiele, Preise und Teilnahme dann im nächsten Monat.
Bis dahin:
Viel Spaß bei der Optimierung deiner aktuellen Major Promotion.
Deine
Yvonne
Yvonne Malak
Das Moderationshandbuch: Alles, was Radio-Profis wissen müssen
201 Seiten
ISBN 3848782723
39,00 € Nomos
Yvonne Malak ist Radioberaterin und berät eine Vielzahl von Radiostationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Yvonne Malak schreibt monatlich für die radioWOCHE. Die nächste Ausgabe erscheint am 01. Dezember 2024.
Alle bisher veröffentlichten Publikationen von Yvonne Malak finden Sie auch unter www.my-radio.biz/category/publikationen/radiowoche/